Charles Meder – der mit den Worten tanzt

Schriftsteller, Autor, Literat, Poet, Lehrer: Charles Meder kann man viele Berufe bzw. Berufungen zuschreiben, die allesamt von seiner Vielseitigkeit und seiner Leidenschaft für Sprache zeugen. Er schreibt engagiert, mitunter kritisch, und andere Male jongliert er mit Themen, schwankt zwischen Fiktion und Realität und nutzt Mehrsprachigkeit. In der Literaturlandschaft des Großherzogtums ist er eine einflussreiche und engagierte Persönlichkeit, sicherlich – auch – ein Grund für den Gewinn des Nationalen Literaturwettbewerbs 2024.

Die Handlung spielt in nicht allzu ferner Zukunft in einem etwas heruntergekommenen Friseursalon. Drei Friseurstühle stehen vor einem Spiegel. Auf dem linken Stuhl sitzt eine Schaufensterpuppe mit Perücke unter einer Trockenhaube. Lange Haare. Blond, braun, rot, schwarz, ganz egal. Sie ist reglos, wie tot. Musik ist zu hören. Die Türglocke erklingt. Auftritt Urd. Sie inspiziert den Salon, setzt sich auf einen Hocker neben einem Waschbecken, schaut, wartet, erhebt sich, geht zum Radio, ändert den Sender, lauscht, schüttelt den Kopf, zieht sich einen Friseurkittel an, schminkt sich, setzt eine Perücke auf, schaut sich in einem Taschenspiegel an, steht auf, nähert sich schnell einer der aufblasbaren Puppen, setzt sie auf einen der Stühle und beginnt zu spielen, was sie in eben diesem Salon einige Jahre zuvor erlebt hat…

So lässt sich die Handlung des Theaterstücks "Urd. Pièce multilingue pour un coupable, sa victime, un mannequin de vitrine, plusieurs mannequins gonflables et le public" zusammenfassen, für das Charles Meder mit dem 1. Preis in der Kategorie "Erwachsene Autoren" des Nationalen Literaturwettbewerbs 2024 ausgezeichnet wurde

Lachen und Sticheleien

Ein einfacher Ort, ein heruntergekommener Friseursalon, eine reglose Schaufensterpuppe, ein Spiegel: die Atmosphäre ist merkwürdig und steht einer Welt von David Lynch in nichts nach, die perfekte Inszenierung an einem harmlosen Ort und ein ans Mysteriöse und Surrealistische grenzendes Ambiente.

Charles Meder ist bekannt für seine Theaterstücke, die zum Nachdenken über die Gesellschaft und die menschliche Psyche anregen. Aber was will er uns mit der Figur Urd sagen, die sich in dieser trivialen Welt bewegt? Die Jury des Nationalen Literaturwettbewerbs 2024 ist sich jedenfalls einig. Der Autor erhielt den Preis für "die Originalität der Form des dialogischen Monologs, die es ganz klar zu einem Schauspielerstück macht.. Dem Protagonisten wird eine Spielwiese für Schauspieler und Regie geboten, auf der sich Situationskomik und ein Hauch von satirischem Humor kreuzen."

Um die Worte der Jury zu zitieren, kann man sagen, dass der Autor das Publikum einlädt, regelrecht zu einem Akteur des Stücks zu werden, das "auf schrille und bissige Weise eine heftige Abrechnung gegenüber der zeitgenössischen luxemburgischen Gesellschaft entfaltet. Der in die vielschichtige Rolle schlüpfende Darsteller bedient sich politischer, sozialer und sprachlicher Klischees und springt dabei auf natürliche Weise von einer Sprache in eine andere."

Lassen Sie uns den Autor direkt anhören. In einem Interview beantwortet er unsere Fragen zu seinem Theaterstück "Urd. Pièce multilingue pour un coupable, sa victime, un mannequin de vitrine, plusieurs mannequins gonflables et le public" und zu der kürzlich erhaltenen Auszeichnung.

1. Was war Ihre Inspirationsquelle für dieses Stück?

Ich fand meine Inspiration für diesen dialogischen Monolog sowohl in der nordischen Mythologie (URD ist eine der drei Nornen) als auch in der realen Welt. Alles, was ich sehe, höre oder lese, kam zum Tragen. Es handelt sich somit von vornherein um persönliche Erfahrungen, Beobachtungen der Welt, des Alltags, meines Umfelds und der sozialen Entwicklungen um mich herum. In diesem Stück spreche ich insbesondere über Rassismus, Homophobie und den zunehmenden Hass. Ich studiere die sprachlichen Mechanismen, die für diese besorgniserregenden Entwicklungen ursächlich sind. Ich befasse mich ebenfalls mit dem Phänomen der Banalität des Bösen, in das ich den Zuschauer verwickle, der eine Rolle zu spielen hat.

 

2. Welche Botschaft möchten Sie mit diesem Werk an Ihre Zuschauer richten?

Dieses humanistische Stück lädt das Publikum ein, auf die zuvor angesprochenen Phänomene zu reagieren.

 

3. Was bedeutet dieser Preis für Ihre Karriere, und arbeiten Sie derzeit an neuen Projekten oder Themen, die Sie in Ihren nächsten Werken gerne ausloten möchten?

Ein Preis kann bestimmt Türen öffnen. Ich habe im September 2024 eine Vollzeitstelle im Sekundarunterricht angenommen, was bedeutet, dass ich mich in den kommenden Jahren nur einigen ausgewählten Projekten widmen werden kann. 2026 wird eine Graphic Novel zum Thema Chancengleichheit herauskommen, ein gemeinsames Projekt mit Marc Angel. Für die Spielzeit 2026/2027 würde ich gerne ein partizipatives soziokulturelles Projekt mit jungen Leuten zum Thema Freiheit auf die Bühne bringen, in dem sich Text, Tanz, Musik und Video mischen. Und dann sehen wir weiter.

 

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