Kultur für alle: ein Überblick Kulturpass, Barrierefreiheit der Museen und Führungen für Menschen mit besonderen Bedürfnissen bringen allen Kultur ein Stückchen näher

Die Teilnahme am kulturellen Leben ist ein in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte anerkanntes Recht. Zudem ermöglicht der Schutz und die Förderung der Teilhabe aller an der Kultur den Aufbau inklusiverer, innovativerer und belastbarerer Gesellschaften. In Luxemburg arbeiten Vereinigungen und Institutionen daran, aus der Kultur ein für alle greifbares und erlebbares Recht zu machen. Vor diesem Hintergrund bieten Theaterbühnen Raum für inklusivere Projekte, Museen werden barrierefreier, und der Kulturpass ermöglicht den Zugang zu kulturellen Veranstaltungen zum Preis von 1,50 Euro.

Der Kulturpass, erlebbare Kultur für Menschen mit geringem Einkommen

In Luxemburg ist Kultur allgegenwärtig. Das Land zählt über 60 Museen, Theatersäle sind landesweit zu finden, und es gibt zahlreiche Gemeinden mit Kulturzentren, die über mehrsprachige Programme verfügen und alle darstellenden Künste abdecken. Dennoch können weite Teile der Bevölkerung aufgrund ihrer prekären Lage Kultur nicht erleben.

Seit 2008 setzt sich Cultur'All für Kultur für jedermann ein. Der Verein möchte die Gesellschaft und die politischen Verantwortungsträger für die kulturellen Rechte und die Erleichterung des Zugangs zur Kultur sensibilisieren, insbesondere für Personen, die aufgrund ihrer sozial oder wirtschaftlich schwierigen Lage weit davon entfernt sind. Durch die Förderung der Teilnahme am und des Beitrags aller Menschen zum kulturellen Leben stellt der Verein die kulturelle Vielfalt sowie den intergesellschaftlichen Dialog, in enger Zusammenarbeit mit seinen sozialen und kulturellen Partnern, in den Vordergrund.

Durch die Ausstellung des Kulturpasses werden diese Bemühungen konkret. Er ermöglicht Menschen mit geringem Einkommen, die in Luxemburg leben oder einen Antrag auf internationalen oder vorläufigen Schutz gestellt haben, die Teilnahme am kulturellen Leben in Luxemburg. Es handelt sich um eine kostenlose, auf den jeweiligen Namen lautende persönliche Karte, die zwei Jahre gültig ist und mit der beispielsweise der freie Eintritt zu Partnermuseen oder der Erwerb einer Eintrittskarte für eine kulturelle Veranstaltung zum Preis von 1,50 Euro möglich ist. Aktuell gehören zum Netzwerk über 100 Partner, die in zahlreichen Bereichen wie den visuellen und bildenden Künsten, Musik, Kino usw. tätig sind.

3 Fragen an die Verantwortlichen von Cultur'All

1. Der Verein Cultur'All wurde 2008 ins Leben gerufen, und die erste konkrete Maßnahme bestand in der Einführung des Kulturpasses, der seit Januar 2010 ausgestellt wird. Warum wurde diese Maßnahme gewählt? Welche Bilanz ziehen Sie nach über 10 Jahren Arbeit?

Der Kulturpass war ein einfaches und schnelles Mittel, um das eklatanteste Hindernis, nämlich die finanzielle Hürde, zu meistern.

Der anfangs gemeinnützige Verein beschäftigt heute 1,25 Vollzeitmitarbeiter. Seit der Überarbeitung des Projekts Ende 2014 hat sich das Kulturpass-Netzwerk verdoppelt. Wir haben etwa hundert Partner aus der Kultur und nahezu fünfzig Partner aus dem Sozialwesen. Im Jahr 2015 haben 1.043 Personen einen Kulturpass erhalten; heute sind 4.425 Kulturpässe im Umlauf, die aktiv genutzt werden. Der Verkauf von Tickets zum Kulturpass-Tarif ist von 1.987 im Jahr 2015 auf 4.400 im Jahr 2022 gestiegen, und wir erwarten 2023 einen noch stärkeren Anstieg. Wir können sagen, dass wir uns auf nationaler Ebene endlich etabliert und aufgrund der Organisation eines internationalen Kolloquiums in unserem Tätigkeitsbereich im vergangenen Jahr ein gewisses Ansehen im Ausland erworben haben. Trotz allem bleibt noch viel zu tun.

2. In der Empfehlung Nr. 49 des KEP 2018-2028 (Kulturentwécklungsplang – Nationaler Kulturentwicklungsplan) wird die Verbesserung der Verbreitung und Visibilität des Kulturpasses vorgeschlagen. Eines der Ziele des KEP im Kapitel "Kulturbürgerschaft und Zugänglichkeit" lautet, die Möglichkeiten des Kulturpasses auf alle Gemeinden des Landes auszuweiten. Konnte die Empfehlung umgesetzt werden? Wie sieht der aktuelle Stand aus?

Wir sprechen in der Tat von Bürgerschaft, insbesondere kultureller Bürgerschaft. Dass ein Teil der Bevölkerung leider nicht am kulturellen Leben in Luxemburg teilhaben kann, ist nur ein Teil des umfassenderen Phänomens, nämlich Armut und soziale Ausgrenzung. Wir sind ebenfalls der Ansicht, dass der Kulturpass ein Katalysator ist, der Menschen helfen kann, an der Gesellschaft teilzuhaben und ihre Rechte als Bürger:innen zu beanspruchen.

Der Kulturpass ist dabei nur ein Teil der Antwort. Das Knüpfen und die Pflege von Verbindungen zwischen den sozialen und kulturellen Welten, um unsere Begünstigten bei der Ausübung ihrer Rechte auf Teilhabe am kulturellen und gesellschaftlichen Leben zu unterstützen, stellen den anderen Teil unserer Arbeit dar. Um auf die Empfehlung 49 des KEP zurückzukommen, sind wir der Meinung, dass trotz der zunehmenden Unterstützung seitens des Ministeriums für Kultur die Bemühungen weiterhin nicht ausreichend sind. Diese Frage sprengt allerdings den Rahmen des KEP und verlangt eine konzertiertere Rückendeckung seitens der Behörden.

3. Der Kulturpass erleichtert den Zugang zur Kultur, das heißt, ihren Konsum bzw. eine "passive" – wenn auch bereichernde – Teilhabe daran. Dennoch haben kulturelle Rechte auch mit der aktiven Beteiligung am Kulturschaffen zu tun, was ebenfalls ein Mittel der sozialen Inklusion sein kann. Setzt Cultur'All Projekte um, die mit der aktiven Beteiligung von benachteiligteren Bevölkerungsgruppen verbunden sind? Gemeinsam mit anderen Vereinen?

Unsere Arbeit besteht darin, die konstante Ausweitung des Kulturpass-Netzwerks zu verwalten, unsere Partner zu sensibilisieren, Verbindungen in diesem Netzwerk zu knüpfen, das Funktionssystem des Kulturpasses zu verbessern, einen umfassenderen und kohärenteren Diskurs durch die Annäherung an Menschen mit Behinderungen zu entwickeln, neue Lösungen zu finden, um die Informationsverbreitung auszuweiten und zu mehren, oder vernachlässigte Bevölkerungsgruppen auszumachen.

In den Schubladen haben wir die Grundlage für eine kulturelle Mediationstoolbox, die uns unentgeltlich von unseren Freunden:innen vom Verein Article 27 (Belgien) zur Verfügung gestellt wurde und deren Hauptziel in der Förderung des Bürgerschaftsgefühls von Personen mittels Kultur besteht. Es geht darum, Menschen das Recht einzuräumen, zu einem Werk Stellung zu nehmen, ihre Meinung zuzulassen und ihre Ansicht wertzuschätzen. Momentan verfügen wir nicht über die Mittel für deren Umsetzung.

Luis Santiago, soziokultureller Vermittler von Cultur'All
© Caroline Martin / Cultur'All, alle Rechte vorbehalten
Workshop rund um den Zugang zur Kultur in Luxemburg, organisiert von Cultur'All im Rahmen des 10-jährigen Jubiläums des Kulturpasses (neimënster)
© Vincenzo Cardile / Cultur'All, alle Rechte vorbehalten
Marianne David, Kommunikations- und Verwaltungsbeauftragte von Cultur'All
© Caroline Martin / Cultur'All, alle Rechte vorbehalten

Museen, Theater und Kulturerbe für alle

Museen

Zahlreiche Museen entwickeln seit Jahren Initiativen, die der inklusiven Teilhabe am kulturellen Leben dienen.

Die beiden Museen der Stadt Luxemburg, das Lëtzebuerg City Museum und die Villa Vauban, bieten Führungen für Menschen mit besonderen Bedürfnissen an. Ihre gesamten Ausstellungen sind barrierefrei, und sie bieten drei Arten von Führungen an:

  • Führung in Gebärdensprache (deutsche Gebärdensprache).
  • Führung für Sehbehinderte oder Blinde.
  • Führung in leichter Sprache.

Die Dauer ist von der Führung und den Bedürfnissen der Teilnehmer abhängig. Für diese Art von Führungen ist eine Reservierung erforderlich (E-Mail: visites@2musees.vdl.lu). Zudem sind alle Säle der beiden Museen rollstuhlgerecht. Diese Initiativen wurden mit dem Label EureWelcome Luxembourg ausgezeichnet, das auf dem "Design for all"-Konzept basiert. Zudem bieten das Lëtzebuerg City Museum und die Villa Vauban ermäßigte Preise an, einschließlich des freien Eintritts an bestimmten Abenden für Jugendliche, Studierende und Menschen mit Behinderungen.

Das Musée d'art moderne Grand-Duc Jean – Mudam Luxembourg richtet sich seinerseits mit folgenden Angeboten ebenfalls an Besucher mit besonderen Bedürfnissen:

  • Broschüre in deutscher leichter Sprache mit allen Informationen und Angeboten des Museums.
  • Entdeckungstag für Besucher mit Autismusspektrum-Störungen.
  • Führungen für sehbeeinträchtigte und blinde Menschen.
  • Gruppenführungen mit einem Kunstvermittler.

Das Mudam kann vollständig im Rollstuhl besichtigt werden, und manuelle Rollstühle stehen Besuchern auf einfache Anfrage an der Rezeption zur Verfügung. Für einige Führungen sind im Vorfeld Reservierungen beim Publics Department des Museums erforderlich (E-Mail: visites@mudam.lu). Das Mudam bietet ebenfalls Eintrittskarten zu ermäßigten Preisen und freien Eintritt für Jugendliche und Studierende sowie mittwochsabends an.

Die luxemburgischen Museen haben sich in den letzten Jahren auch der digitalen Technologie zugewandt und so einen Beitrag zur Ausweitung des Zugangs zur Kultur geleistet. Dementsprechend können Menschen, die allein nicht in der Lage sind, ihr Zuhause zu verlassen, ebenfalls in den Genuss der Sammlungen der Museen gelangen.

Das Nationalmusée um Fëschmaart, Museum für Geschichte und Kunst, kann durch eine Reihe von einzigartigen und interaktiven 3D-Rundgängen entdeckt werden. Das Museum wurde mithilfe modernster Technologien gescannt und bietet nunmehr seine gesamten Sammlungen per 3D-Rundgang an. Zudem stehen virtuelle Ausstellungen seiner Sammlungen auf seiner Website zur Verfügung. Der Eintritt zur Dauerausstellung ist frei, und Jugendlichen und Studierenden werden ebenfalls ermäßigte Eintrittspreise angeboten.

Das Nationalmuseum für Naturgeschichte – natur musée bietet ebenfalls eine 3D-Tour durch seine Sammlungen an. Das natur musée hat ebenfalls ermäßigte Eintrittspreise; der Eintritt für Jugendliche und Studierende ist frei.

Sie können ebenfalls das Musée Dräi Eechelen mit seinen Kasematten sowie die unterirdischen Gänge der Forts Olizy und Niedergrünewald auf beeindruckenden und interaktiven 3D-Rundgängen entdecken. Personen mit eingeschränkter Mobilität können auf diese Weise Bereiche entdecken, die aufgrund der Architektur der historischen Orte schwer zugänglich sind. Der Eintritt zu allen Ausstellungen des Musée Dräi Eechelen ist frei.

Das Dräi Museum Eechelen bietet immersive und interaktive 3D-Führungen an. Das Mudam engagiert sich für Besucher mit besonderen Bedürfnissen mit maßgeschneiderten Führungen.
© SIP / Uli Fielitz, alle Rechte vorbehalten
Alle Ausstellungen in der Villa Vauban sind zugänglich und es werden Führungen für Menschen mit besonderen Bedürfnissen angeboten.
© SIP / Zineb Ruppert, alle Rechte vorbehalten

Burgen, Schlösser und Befestigungsanlagen

Die Burg Useldingen bietet seit Jahren einen Kulturweg für Sehbehinderte an. Die Wege rund um das Schloss sowie in dessen Turm wurden unter der Schirmherrschaft der UNESCO angelegt. Der Weg setzt sich aus 16 Stationen zusammen, die für sehbehinderte Menschen ausgelegt wurden und ihnen die Möglichkeit bieten, die Geschichte des Gebäudes zu riechen, zu hören und zu ertasten.

Die angebotenen Touren durch die alten Stadtviertel und Befestigungsanlagen der Stadt Luxemburg, die zum UNESCO-Weltkulturerbe gehören, wurden um zwei Audioguides und eine Broschüre für Besucher mit besonderen Bedürfnissen ergänzt:

  • Die UNESCO-Tour für alle auf izi.travel kann leicht mit dem Rollstuhl oder einem Kinderwagen absolviert werden. Die Strecke wurde von einer Gruppe von Personen mit besonderen Bedürfnissen ausgesucht und getestet. Der Guide ist auf Luxemburgisch, Französisch, Deutsch, Englisch, Niederländisch und Portugiesisch verfügbar.
  • Der Guide UNESCO-Tour für Alle - Leichte Sprache auf izi.travel gilt für dieselbe Tour, aber in leichter Sprache und mit Videosequenzen in Gebärdensprache. Diese Besichtigung ist nur auf Deutsch verfügbar.
  • Die Broschüre UNESCO-Tour für Alle in Leichter Sprache lässt die Besucher die UNESCO-Tour auf Deutsch in einer klaren Sprache, die komplexe Gegenstände oder Situationen mit einfachen Worten ausdrückt, entdecken.
Das Schloss Useldingen bietet einen Kulturweg für Menschen mit Sehbehinderung an.
© ORT Guttland (Office régional du tourisme Région Guttland, alle Rechte vorbehalten
Der Katalog des Rundgangs durch die Altstadtviertel und Festungsanlagen der Stadt Luxemburg, die zum Unesco-Weltkulturerbe erklärt wurden, wurde um zwei Audioguides und eine Broschüre für Menschen mit besonderen Bedürfnissen erweitert.
© SIP, alle Rechte vorbehalten

Bühnenkunst

Das Mierscher Kulturhaus ist seit über 10 Jahren Initiator zahlreicher inklusiver Projekte. Da sie noch einen Schritt weiter gehen möchte, hat diese Kulturstätte ein Netzwerk aus professionellen Künstlern sowie kulturellen und sozialen Einrichtungen gegründet, um die Inklusion im Bereich der Kultur zu fördern: Mosaik Kultur Inklusiv.

Diversität, Individualität und Einzigartigkeit stehen im Mittelpunkt dieses Projekts, das der Repräsentativität auf den Bühnen eine besondere Bedeutung beimisst. Die Broschüre für die Saison 2023 ist auf Deutsch verfügbar: Tanz, Workshops, Lesungen und Musik erwarten Sie. Mehrere der angebotenen Veranstaltungen werden auch in die deutsche Gebärdensprache gedolmetscht.

Zugang zur Kultur garantieren

Im Rahmen seiner Politik, allen Zugang zur Kultur zu garantieren, lanciert das Ministerium für Kultur seit 2021 Projektaufrufe. Das Ziel besteht in der Unterstützung kultureller Einrichtungen bei der Öffnung ihrer Programmgestaltung für Menschen, die von Ausgrenzung bedroht sind und für die Kultur ein Standbein ihrer Entwicklung darstellen kann. Diese finanziellen Beihilfen sollen auch zum Ausbau und zur Festigung der Beziehungen zwischen kulturellen und sozialen Akteuren und zur Schulung von Fachleuten der kulturellen Einrichtungen dienen.

Einer der jüngsten Projektaufrufe war für den Zugang zur Kultur in Haftanstalten bestimmt. Kultur am Prisong ist ein Mittel, um kulturelle Projekte in Haftanstalten zu bringen und auf diese Weise Häftlingen die Möglichkeit zu bieten, an Events teilzunehmen und einen ersten Schritt in Richtung kultureller Inklusion zu gehen.

"Jeder Mensch hat das Recht, am kulturellen Leben der Gemeinschaft frei teilzunehmen, sich der Künste zu erfreuen und am wissenschaftlichen Fortschritt und dessen Wohltaten teilzuhaben." Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, Artikel 27.1.
"Nur ein menschenzentrierter Entwicklungsansatz, der auf gegenseitigem Respekt und einem offenen Dialog zwischen den Kulturen beruht, kann zu einem dauerhaften Frieden führen." Unesco.