Luxemburgisch – eine lebendige Sprache im Wandel der Zeit

Veröffentlichung über die Luxemburgische Orthographie des ZLS
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Wer in Luxemburg lebt oder arbeitet, begegnet der luxemburgischen Sprache täglich – ob zu Hause, im Beruf oder online. Was früher als Dialekt galt, ist heute eine selbstbewusste Nationalsprache in einem mehrsprachigen Land.

Was ist Luxemburgisch?

Luxemburgisch ist eine westmitteldeutsche Sprache aus dem moselfränkischen Sprachraum und steht in enger Verbindung zu den rheinländischen Dialekten des Deutschen – dem so genannten "Rheinischen Fächer" –, hat jedoch im Laufe der Geschichte zahlreiche Einflüsse aus dem Französischen aufgenommen. Das Ergebnis ist eine lebendige Sprache, in der Wörter aus beiden Sprachwelten nebeneinander existieren – oft sogar in derselben Alltagssituation.

  • Ein gutes Beispiel ist die Verabschiedung: Man sagt entweder "Äddi" (dt: "Ade"), oder das etwas förmlicher wirkende "Awuer" (fr: "Au revoir"). Auch "Salut" (französisch) und "Ciao" (italienisch) sind geläufige Alternativen.

Bis ins 19. Jahrhundert galt Luxemburgisch vor allem als gesprochene Sprache der unteren Bevölkerungsschichten. Bourgeoisie, Adel, Klerus und später auch Industriebesitzer sprachen Französisch oder Deutsch. Erst ab der Mitte des Jahrhunderts entstanden erste literarische Werke, z.B. De Reenert (1872), De Feierwon (1859) und Ons Heemecht (1864). Letzteres ist ein Gedicht des Schriftstellers Michel Lentz, welches vertont wurde und dessen 1. und 4. Strophe die Nationalhymne Luxemburgs darstellen.

Sprache und nationale Identität

Mit der Zeit entwickelte sich ein starkes nationales Bewusstsein, eng verbunden mit der luxemburgischen Sprache. Historische Ereignisse wie die deutsche Besatzung im Zweiten Weltkrieg und gesellschaftliche Veränderungen in den 1960er- und 1970er-Jahren stärkten diese Entwicklung.

1912 wurde Luxemburgisch erstmals in einem Gesetz erwähnt. Nach 1945 begannen Bemühungen zur Kodifizierung der Sprache – also zur Festlegung einer einheitlichen Grammatik und Aussprache. Französische Einflüsse wurden dabei bewusst bevorzugt, als Reaktion auf die deutsche Besatzung.

In den folgenden Jahrzehnten wuchs die Zahl luxemburgischsprachiger Veröffentlichungen. Auch im Bildungssystem erhielt die Sprache einen festen Platz.

Offizielle Anerkennung

1984 wurde Luxemburgisch per Gesetz zur Nationalsprache erklärt. In den Parlamentsdebatten zu diesem Thema wurde sie erstmals offiziell im Plenum verwendet – heute ist sie dort Standard. Ein weiterer Meilenstein: Seit dem 1. Juli 2023 ist Luxemburgisch auch in der Verfassung verankert. Artikel 4 bestimmt:

„Die Sprache des Großherzogtums Luxemburg ist Luxemburgisch. Die Verwendung der luxemburgischen, französischen und deutschen Sprache wird gesetzlich geregelt.“

Verschiedene Maßnahmen unterstützen heute das Wachstum und die Entwicklung der Luxemburger Sprache und ihres Status: Aus dem Gesetz von 2018 zur Förderung der luxemburgischen Sprache gingen der Kommissar für die luxemburgische Sprache und das Zenter fir d'Lëtzebuerger Sprooch (Zentrum für die luxemburgische Sprache, ZLS) hervor. Zudem kam es 2022 zu einer gesetzlichen Reform des Nationalen Spracheninstituts (Institut national des langues Luxembourg, INLL). Ebenfalls 2022 hieß die Regierung einen 50 Punkte umfassenden Maßnahmenkatalog zur Förderung der luxemburgischen Sprache gut.

Schriftzug "Mir wölle bleiwe wat mir sin" (Wir wollen bleiben was wir sind).
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Wo und wann "schwätzt" und "schreift" man Luxemburgisch?

Luxemburgisch wird heute in vielen Lebensbereichen verwendet – doch die Sprache steht auch vor Herausforderungen. Im UNESCO-Weltatlas der bedrohten Sprachen wird sie derzeit als „potenziell gefährdet“ eingestuft. Das liegt vor allem an der mehrsprachigen Umgebung Luxemburgs: Am Arbeitsplatz dominieren oft Französisch und Englisch, die als Verkehrssprachen gelten. Die Nutzung von Luxemburgisch hängt dabei stark vom jeweiligen Wirtschaftssektor ab.

Luxemburgisch als Alltagssprache

Trotzdem bleibt Luxemburgisch die Erstsprache der Mehrheit. Laut der Volkszählung von 2021 sprechen rund 49 % der Einwohner Luxemburgisch – mehr als Portugiesisch oder Französisch. Deutsch liegt auf Platz sechs. Zwar nimmt der relative Anteil der Luxemburgisch-Sprecher durch den demografischen Wandel ab, in absoluten Zahlen steigt er jedoch weiter.

Wie und wann Luxemburgisch gesprochen wird, hängt stark vom Kontext ab. Laut einer Studie nutzen über 61 % der Bevölkerung die Sprache im Alltag – sei es zu Hause, in der Schule oder am Arbeitsplatz. Auch die Zahl der Menschen, die Luxemburgisch als Zweit- oder Fremdsprache lernen, wächst stetig.

Luxemburgisch in der Schriftform

Der schriftliche Gebrauch von Luxemburgisch nimmt ebenfalls zu. Besonders in sozialen Medien und Messenger-Diensten wird die Sprache als Verkehrssprache immer häufiger verwendet. Einen wichtigen Impuls gab das Staatsbürgerschaftsgesetz von 2008: Seitdem müssen Antragstellende einen Sprachtest in Luxemburgisch bestehen. Das Interesse an Sprachkursen stieg stark – zwischen 2008 und 2022 hat sich die Zahl der Kurse am Nationalen Spracheninstitut mehr als verdreifacht.

Regionale Vielfalt: Dialekte und Varianten

Neben der standardisierten Form gibt es viele regionale und lokale Varianten des Luxemburgischen. Einige davon sind bis heute lebendig. Der Varatiounsatlas, ein interaktives Projekt der Universität Luxemburg, dokumentiert diese Vielfalt. Basierend auf über 250.000 Rückmeldungen aus der App Schnëssen ("plaudern") zeigt der Atlas mehr als 700 sprachliche Unterschiede – ein beeindruckender Einblick in die sprachliche Landschaft des Landes.

Luxemburgisch über die Grenzen hinaus

Luxemburgisch wird nicht nur im Großherzogtum gesprochen. Auch in angrenzenden Regionen wie dem Osten der belgischen Provinz Luxemburg, im Nordwesten des französischen Départements Moselle und entlang der deutsch-luxemburgischen Grenze ist die Sprache präsent.

Historisch bedingt findet man Luxemburgisch sogar in Übersee: Durch Auswanderung im 9. und 14. Jahrhundert nach Rumänien und im 19. Jahrhundert in die USA hat sich die Sprache auch in Siebenbürgen und im Mittleren Westen Amerikas verbreitet. Einige dieser Varianten sind bis heute erhalten.

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