Bürgerbeteiligung in Luxemburg Das Engagement der Bürger, ein Schlüssel für die Stärkung der Demokratie und des Zusammenlebens

Aktiv am Demokratieleben teilzuhaben, ist ein nötiges Engagement zur Stärkung des Zusammenlebens. Bürgerbeteiligung kann individuell durch das Wahlrecht oder öffentliche Petitionen oder kollektiv durch Vereine erfolgen. Heutzutage findet sie immer häufiger im institutionellen Rahmen statt. Die Institutionen wenden sich an die Bürger, wenn öffentliche Entscheidungen anstehen. In diesem Zusammenhang ist staatsbürgerliche Bildung ein Schlüssel zur Verbesserung der Demokratie.

Was ist Bürgerbeteiligung?

Bürgerbeteiligung ist ein Prozess des Engagements von Bürgern, die allein oder gemeinsam mit anderen das gemeinschaftliche Leben beeinflussen möchten. Das Bürgerdasein ist mehr als nur ein juristischer Status mit Rechten und Pflichten: Die Menschen haben die Möglichkeit, aktiv am demokratischen Leben teilzuhaben, um das Zusammenleben zu verbessern.

Individuelle Bürgerbeteiligung

Als Individuum kann der Bürger durch das aktive und passive Wahlrecht handeln. Bei Parlamentswahlen in Luxemburg besitzt jede Person mit luxemburgischer Staatsangehörigkeit, die im Besitz der Bürgerrechte und der politischen Rechte ist, das 18. Lebensjahr vollendet hat und in Luxemburg ihren Wohnsitz hat, diese beiden Wahlrechte. Im Rahmen der Kommunalwahlen dürfen nicht-luxemburgische Staatsangehörige wählen und gewählt werden, wenn sie seit mindestens fünf Jahren im Großherzogtum wohnen. Zudem finden alle fünf Jahre weitere Wahlen statt: die Europawahlen, bei denen die Mitglieder des Europäischen Parlaments gewählt werden, und die Betriebsratswahlen in den Unternehmen.

Ein weiteres Mittel der politischen Mitbestimmung, das die Bürger individuell nutzen können, sind öffentliche Petitionen bei der Abgeordnetenkammer. Bei diesem Verfahren sucht man die Debatte mit den gewählten Vertretern zugunsten der vertretenen Sache. Achtung! Es handelt sich nicht um Einzelinteressen – in dem Fall wäre die Petition nicht zulässig –, sondern um ein Thema von generellem und nationalem Interesse im Dienste aller Bürger.

Die öffentliche Petition in Kürze

Der Petitionsausschuss prüft die Anträge. Im Falle einer befürwortenden Stellungnahme erteilt die Konferenz der Präsidenten ihre Zustimmung, damit die Petition auf der Website der Abgeordnetenkammer veröffentlicht wird. Die elektronischen Unterschriften können dann 42 Tage lang bei den Bürgern gesammelt werden. Werden 4.500 Unterschriften gesammelt, gibt es eine öffentliche Debatte, die in einem Gesetzgebungsverfahren münden könnte.

Die Bürger können auch einzeln einfache Petitionen einreichen: Es handelt sich um Ideen oder Forderungen, auf die die zuständigen Minister reagieren müssen.

Referenden sind zwar weniger häufig, aber auch ein Mittel der individuellen Bürgerbeteiligung. Diese Konsultation per Abstimmung ruft die Wähler auf, für oder gegen einen Vorschlag zu stimmen.

Kollektive Bürgerbeteiligung

Das Versammlungsrecht und das Recht auf Vereinigung sind die Grundlagen der kollektiven Bürgerbeteiligung und werden von der Verfassung garantiert.

Insbesondere die Vereinigungsfreiheit ermöglicht den Bürgern, sich Bürgerinitiativen anzuschließen, ob auf lokaler Ebene - ein Verein im Stadtviertel, zum Beispiel - oder auf nationaler oder grenzüberschreitender Ebene - große Nichtregierungsorganisation zum Beispiel. Dieses Netzwerk aus Vereinen und Verbänden bildet die sogenannte Zivilgesellschaft, die jede Demokratie zusammenhält.

Die Bürgerbeteiligung ist keine Einbahnstraße

Bürgerbeteiligung wird häufig als Bottom-up-Ansatz verstanden, das heißt vom Bürger zu den Institutionen. Die zahlreichen öffentlichen und einfachen Petitionen sowie die Vielzahl an Vereinen zeugen davon. Dabei findet die Bürgerbeteiligung immer häufiger im institutionalisierten Rahmen statt. In der Tat setzen die Institutionen bei öffentlichen Entscheidungen auf die Teilhabe der Zivilgesellschaft, fördern so die Transparenz und gleichen die Beschränkungen der partizipativen Demokratie aus.

Das "Placemaking" der Stadt Luxemburg

"Der öffentliche Raum sollte allen zur Verfügung stehen. Deshalb sollte seine Gestaltung auch öffentlich zur Diskussion stehen", bekräftigt die Stadt Luxemburg in der Einleitung zum "Placemaking". Die Hauptstadt des Großherzogtums ruft bei der Gestaltung des öffentlichen Raums regelmäßig zur Bürgerbeteiligung auf: alle Interessierten, Anwohner, Nutzer usw. können Ideen vorstellen und Vorschläge einbringen. Danach erarbeitet die Stadt ein Konzept, das bei einer Bürgerbeteiligungssitzung präsentiert, zur Diskussion gestellt und gemeinsam angepasst wird, bevor mit der Ausarbeitung des endgültigen Plans begonnen wird.

Bürgerrat für Klimafragen

In der Rede zur Lage der Nation 2021 hat die luxemburgische Regierung die Gründung eines Bürgerrats für Klimafragen (KlimaBiergerRot), bestehend aus etwa hundert Mitgliedern, die die Bevölkerung des Landes in all ihrer Vielfalt vertreten, angekündigt. So werden die Bürger mit am Verhandlungstisch sitzen und mit Unterstützung von Experten über die Klimaprobleme diskutieren. Der Ausgangspunkt für die Debatten wird der nationale Energie- und Klimaplan sein, der bereits eine Reihe von Zielen und Maßnahmen vorsieht.

Bürgerschaftliches Engagement entsteht durch Bildung

"Die Demokratie braucht Demokraten und Demokratinnen", sagt das Zentrum fir politesch Bildung (ZpB – Zentrum für politische Bildung). Diese Stiftung hat das Ziel, bürgerschaftliches Engagement durch ein besseres Verständnis der Demokratie und der aktuellen gesellschaftlichen Herausforderungen zu fördern. Dazu bietet das ZpB Weiterbildungen für Lehrkräfte, aber auch für die breite Öffentlichkeit an, veranstaltet Ausstellungen und erstellt Veröffentlichungen, die man auf der Website herunterladen kann.

3 Fragen an Michèle Schilt, stellvertretende Direktorin des ZpB

Das ZpB setzt auf staatsbürgerliche Bildung: Was ist staatsbürgerliche Bildung, und warum ist sie wichtig?

Staatsbürgerliche Bildung umfasst alle Prozesse, die dabei helfen, die Funktionsweise und die Herausforderungen einer demokratischen Gesellschaft zu verstehen. Das geschieht natürlich im schulischen Kontext, aber auch außerhalb der Schulen in Jugendzentren, in den Maison Relais ... und auch in Vereinen der Zivilgesellschaft, in Sport- oder Musikvereinen ... In der Tat muss man Demokratie lernen und vor allem üben. Es handelt sich nicht um eine "natürliche" Lebensweise. Doch wir sind davon überzeugt, dass die Demokratie die beste Garantie ist, um die größtmögliche Zahl an verschiedenen Meinungen und Standpunkten zu achten, und das auf friedliche Weise.

Welche Rolle spielen die sozialen Medien beim Entstehen oder beim Verlust des bürgerschaftlichen Engagements? Was tut das ZpB in dieser Hinsicht?

Die sozialen Medien sind ein sehr wirksames Mittel, um Informationen zu verbreiten und Beziehungen zwischen Menschen in aller Welt zu knüpfen. Allerdings bergen sie für Minderheiten oder ganz einfach die demokratische Gesellschaft auch Gefahren wie das Verbreiten von Fake News, obskuren oder gar gefährlichen Theorien. Das ZpB stellt vor diesem Hintergrund zwei digitale Tools zur Verfügung: mit dem www.propaganda.guide kann man Propaganda-Nachrichten entschlüsseln, und www.filterbubble.lu zeigt, wie sehr man in seiner Blase steckt, ohne die Vielfalt von Meinungen ausreichend zu berücksichtigen. Zudem muss man zum "Aufbau" des bürgerschaftlichen Engagements, das immer in Bewegung ist und sich ständig verändert, auf reale Kontakte setzen. Der Mensch braucht direkte Live-Kontakte. Das versucht das ZpB zu stärken, indem es verschiedene Multiplikator*innen-Netzwerke insbesondere im Bereich partizipativer Strukturen stärkt, wie das Netzwerk von Lehrkräften, die mit der Methode Léieren duerch Engagement (lernen durch Engagement) arbeiten, oder die Betreuer*innen der Schüler*innen-Komitees ...

Die Stiftung wurde im September 2016 eingerichtet. Können Sie eine Bilanz über die ersten fünf Jahre ziehen oder eine Erfolgsgeschichte mit uns teilen?

In fünf Jahren ist das ZpB beträchtlich gewachsen. Anfangs haben wir uns auf die Schulen konzentriert und ihnen Veröffentlichungen wie duerchbléck! Politik verstoen bereitgestellt, doch mit der Zeit wurden auch unsere Tätigkeiten in der nonformellen Bildung und in der Erwachsenenarbeit verstärkt. Ein großes Projekt, das wir mit der Universität Luxemburg durchgeführt haben, war sicherlich die Plattform smartwielen für die Parlamentswahlen und die Europawahlen, auf der man die eigene Meinung mit den Positionen der Kandidat*innen vergleichen konnte. Ein weiteres Projekt, das im März dieses Jahres begonnen hat, ist das DemokratieLabo, eine interaktive Ausstellung in drei Sprachen für ein Publikum zwischen 12 und 99 Jahren. Die Rückmeldungen sind durchweg positiv, und wir freuen uns, dass wir ein Angebot geschaffen haben, das den Besucher*innen erlaubt, über demokratische Prinzipien wie Freiheit, Sicherheit, Gerechtigkeit usw. und über "brandaktuelle" gesellschaftliche Herausforderungen in Luxemburg wie Wohnraum, Prekarität, Ungleichheiten usw. zu diskutieren. Wir würden uns freuen, Sie dort begrüßen zu dürfen! Erfahren Sie mehr auf www.demokratielabo.lu!