Interview mit Patrick Harboun - Experte für digitale Bilder
Patrick Harboun hat sich für die Arbeit mit digitalen Bildern entschieden, nachdem er seine Kindheit damit verbrachte, seine am Bildschirm erlebten Abenteuer in Zeichnungen fortzusetzen.
Man findet die Computer Generated Imagery – CGI – in Videospielen, virtueller Realität, Animationsfilmen und digitalen Spezialeffekten (Visual Effects) des Kinos. Die Welt des digitalen Bilds verbindet Kunst und Technologie wie kein anderer Bereich. Sie umfasst ganz unterschiedliche Berufsbilder, vom Maler bis zum Programmierer. Patrick Harbouns Rolle als CG Supervisor ist es, Projekte zu überwachen, Teams zu leiten und auf die künstlerische Richtung zu achten.
Wir haben die Gelegenheit genutzt, um dem "Animationsprofi" einige Fragen zu stellen. Lesen Sie selbst!
Was haben Sie studiert? Und wie hat Ihre Ausbildung in Luxemburg Sie auf Ihren Beruf vorbereitet?
Ich habe das Gymnasium Athénée Luxemburg mit Schwerpunkt Kunst besucht. Ich bin meinen damaligen Lehrern unendlich dankbar, dass sie mir den Mut gemacht haben, meine Kreativität auszudrücken. Abgesehen von den Grundlagen habe ich vor allem gelernt, auf meine künstlerischen Fähigkeiten zu vertrauen.
Deshalb konnte ich an der Hochschule Supinfocom-Rubika (einer privaten, auf Videospiele, Animation und Design spezialisierten Hochschule) studieren, die nur jeden fünfzehnten Bewerber annahm. Dort habe ich 2005 meinen Master in digitaler Regie mit dem Kurzfilm Fin d'été abgeschlossen. Er wurde auf YouTube mehr als eine Million Mal gesehen und von Skye Edwards, der Sängerin der britischen Trip-Hop-Band Morcheeba, im Video zu ihrem Song Storm verwendet.
Und was war dann Ihr erster großer Job?
Ich habe meine Karriere im Bereich Videospiele begonnen , und zwar für die PlayStation 2 und 3, erst in Paris beim Studio Ubisoft, danach in Cambridge bei Ninja Theory, einem Independent-Entwicklungsstudio für Videospiele.
Nach sechs Jahren in diesem Bereich war ich aber bereit für eine neue Herausforderung und habe bei MPC, einem großen Londoner Studio, das die digitalen Spezialeffekte für Hollywood-Blockbuster erstellt, angefangen.
Da wurde mir die Tragweite meiner Arbeit wirklich bewusst. Mein erster großer Auftrag bei MPC war der Entwurf einer Kreatur für den Film Wrath Of The Titans. Als diese Kreatur für das Filmposter ausgewählt wurde, war sie wirklich überall zu sehen: an Bushaltestellen und in Zeitschriften, von London bis Luxemburg.
Im Lauf der Jahre und der Projekte bei MPC wurde ich zum Supervisor für Filme wie zum Beispiel Fluch der Karibik: Salazars Rache und Ghost in the Shell.
Wie kommt man an einen Job bei den großen Produktionen?
Es ist eine sehr harte Branche. Man steht in Konkurrenz mit talentierten Künstlern aus der ganzen Welt, die alle denselben Traum haben. Was aber die besten Künstler von den anderen abhebt, ist nicht nur ihr Talent. Vor allem ihr Fleiß macht den Unterschied. Das Talent ist tatsächlich nur das Sahnehäubchen. Ich habe beobachtet, wie unglaublich talentierte Künstler Mühe hatten, ihr Bestes zu geben. Eigeninitiative, Professionalität und Teamgeist sind genauso wichtig wie künstlerische und technische Fertigkeiten.
Können Sie uns drei wichtige Momente in Ihrem Leben nennen?
2015 habe ich die Erstellung einer Vielzahl von Geisterpiraten, einer Schiffsarmada und eines Dutzends Schauspielerdoubles (für die Actionszenen) für den Film Fluch der Karibik: Salazars Rache überwacht. Am 11. Juni 2015 haben die Regisseure des Films unser Studio besucht, um unseren Fortschritt zu begutachten. Als sie die digitale Version der Figur Jack Sparrow und die Fotos des Schauspielers Johnny Depp nebeneinander sahen, hat uns einer von ihnen gefragt, welches Bild das Foto sei. Dank der hervorragenden Arbeit meines Teams ist es uns gelungen, den Schauspieler fast identisch nachzubilden.
Als Nintendo-Fan hatte ich das Privileg, am Design von Pikachu für den Film Pokémon: Meisterdetektiv Pikachu mitzuarbeiten. Unser Studio hatte sich um das Projekt beworben. Unser Design hat den Zuschlag am 18. Januar 2017 erhalten. Danach habe ich mich mit dem Regisseur Rob Letterman getroffen, um darüber zu sprechen, wie wir die weltweit beliebte Zeichentrickfigur fotorealistisch gestalten.
Das Erscheinen des Films Pacific Rim: Uprising am 15. März 2018 markiert für mich das Ergebnis einer großen persönlichen Herausforderung. 2017 habe ich das Studio MPC verlassen, um bei DNEG, einem der weltweit wichtigsten Visual-Effects- und Animations-Studios für Kino und Fernsehen, anzufangen, um zu prüfen, ob meine Fähigkeiten mit meinem Umfeld zusammenhängen. Ich fand mich vor einer riesigen Herausforderung wieder: In nur neun Monaten musste ich etwa zwanzig riesige Roboter und Monster erschaffen, während ich mich mit der Technologie des Studios vertraut machte und ein 70-köpfiges Team, das in London, Vancouver und Mumbai verstreut war, kennenlernte. Doch dank des unermüdlichen Einsatzes dieses wunderbaren Teams ist es uns gelungen.
Danach hatte ich das Glück, an weiteren prestigeträchtigen Projekten von DNEG mitzuwirken, wie Fantastic Beasts: The Crimes of Grindelwald und Marvel Studios' Avengers: Endgame.
Ist das Großherzogtum der ideale Ort für die Ausübung Ihres Berufs?
Das ist eine sehr gute Frage.
Einerseits gibt es mehrere Animationsfilmstudios im Land, von denen einige großen Erfolg haben, wie der Oscar für Mr. Hublot zeigt. Es gibt auch eine wachsende Virtual-Reality-Szene, die ich im VR-Pavillon auf dem Luxembourg City Film Festival bewundern konnte. Zudem haben wir hervorragende Ausbildungen wie die BTS (brevet de technicien supérieur, höheres Fachdiplom) in Animation, Film und Gamedesign sowie den Bachelor in Trickfilmanimation an der Universität Luxemburg. Das Ganze wird vom Film Fund Luxembourg unterstützt, der hilft, Projekte zu finanzieren und die Filmindustrie zu fördern.
Andererseits denke ich aber, dass die Branche im aktuellen System an ihre Grenzen stößt. Zahlreiche Länder wie Neuseeland oder Kanada haben Steuergutschriften eingeführt, die großen internationalen Studios einen Anreiz liefern, um in ihren Ländern Filme zu produzieren. Diese Investitionen haben sich nicht nur als äußerst profitabel für diese Länder herausgestellt, sie haben auch dazu geführt, dass zahlreiche Postproduktions-, Animations- und Videospielfirmen gegründet wurden.
Nach dem Brexit könnten zahlreiche Studios in Großbritannien an der Eröffnung eines europäischen Standorts interessiert sein. Das Großherzogtum würde stark davon profitieren, diese Unternehmen anzuziehen.
Zudem würden internationale Profis ihr Wissen an lokale Nachwuchstalente weitergeben und so auch das nationale Kino voranbringen. Dies würde auch allen jungen Menschen im Land, die eine kreative Laufbahn einschlagen möchten, ohne das Land zu verlassen, gute Möglichkeiten eröffnen.
Nach 15 Jahren in Großbritannien haben Sie sich jetzt mit Ihrer Familie wieder in Luxemburg niedergelassen. Was hat sich Ihrer Meinung nach in den letzten Jahren, die Sie im Ausland verbrachten, in Luxemburg verändert? Was hat sich nicht verändert?
Das Land ist viel offener und noch internationaler als vor 20 Jahren geworden. Mich fasziniert das Entstehen dieser neuen Gemeinschaft aus der ganzen Welt. Verblüfft bin ich auch von der neuen Musikszene des Landes, die zahlreiche Talente von Rock bis Rap zählt.
Nicht verändert hat sich, dass man der Natur überall weiterhin sehr nah ist, und dass man an jeder Straßenecke alte Freunde treffen kann. Das, und die Werbejingles im Radio, die seit 20 Jahren dieselben sind! (lacht)
Was bedeutet #letsmakeithappen für Sie und wie kann Ihre Arbeit zum Image des Landes beitragen?
Für mich ist #letsmakeithappen das Gegenmittel zur defätistischen Reaktion "Dat ass awer net schlecht fir Lëtzebuerg" (Das ist gar nicht schlecht für Luxemburg), was man oft gehört hat, wenn man eine luxemburgische Leistung international verglich. Wir haben so viele Vorzüge, da gibt es keine Ausrede, nicht nach Höherem zu streben.
Was das Image des Landes angeht, glaube ich fest daran, dass ein breit gefächerter audiovisueller Bereich ein hervorragendes Aushängeschild unserer Kultur sein kann. Ein Film wie Der Herr der Ringe hat zum Beispiel zahlreiche Besucher nach Neuseeland gelockt.
Dazu müssen wir ein Bild des Landes schaffen, das über Kachkéis und Banken hinausgeht, und das Interesse beim internationalen Publikum wecken. Mit unserer kosmopolitischen Kultur sind wir tatsächlich die Zukunft Europas.
Wir danken Patrick Harboun für dieses Interview und möchten unsere Leser darauf hinweisen, dass einige Abschnitte des Interviews aus layouttechnischen Gründen gekürzt wurden.
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