Interview mit Guy Daleiden, Direktor des Film Fund Luxembourg
Das Jahr 2020 markiert das 30-jährige Bestehen des Film Fund Luxembourg und die 10. Ausgabe des Luxembourg City Film Festival. Aus diesem Anlass haben wir mit dem Direktor des nationalen Filmfonds, Guy Daleiden, über die Filmindustrie in Luxemburg und den Einfluss des Fonds auf diesen florierenden Sektor in Luxemburg gesprochen.
Der 1990 gegründete Film Fund fördert und unterstützt die Entwicklung der audiovisuellen Produktion im Großherzogtum Luxemburg. Als öffentlich-rechtliche Anstalt unter der Zuständigkeit der Ministerin für Kultur und des für den audiovisuellen Sektor zuständigen Ministers setzt der Fonds die gesamte Förderungspolitik der Regierung um.
Was sind Ihrer Meinung nach die Stärken des Filmfestivals?
Aus Sicht der Arbeit ist der Pavillon für virtuelle Realität natürlich sehr wichtig für uns, da wir uns mit diesem Themenbereich beschäftigen. Aber man muss vor allem über das Festival ganz allgemein als Highlight für Luxemburg sprechen. Es handelt sich um ein Kinofestival von internationalem Rang, das zwei große Vorteile bietet: das Publikum kann eine Vielzahl von Filmen aus der ganzen Welt sehen und die luxemburgische Produktion verfolgen. Der Austausch zwischen Fachleuten aus dem In- und Ausland ist ebenfalls wichtig für das Festival, das heute eine einzigartige Begegnungsplattform darstellt, die verschiedene spezialisierte Fachtagungen anbietet! Das Festival entwickelt sich von Jahr zu Jahr weiter und die Branchenprofis nutzen die Entwicklung des Programms und das wachsende Renommee des Festivals, um internationale Kontakte zu knüpfen und zu stärken.
Beim Luxembourg City Film Festival sind alle Filmgenres präsent: internationales Kino, Dokumentationen, virtuelle Realität, Animationsfilm usw. Was sind die wichtigsten Bereiche der audiovisuellen Produktion in Luxemburg?
Luxemburg ist zu klein, um sich auf einen Bereich zu spezialisieren. Man muss den Menschen alle Möglichkeiten geben, ihre Spezialisierung zu finden, und sie in ihren Entscheidungen unterstützen. Das Budget ist auch nicht nach Bereichen aufgeteilt, sondern variiert je nach Jahr und Trends. Seit vor 30 Jahren die ersten Fördermittel für die Filmbranche bereitgestellt wurden, haben wir auf alle Bereiche gesetzt. Und so unterstützten wir von Anfang an Spielfilme, entweder animiert oder "live". Am Anfang produzierte die Animationsbranche vor allem Serien. Inzwischen sind Spielfilme beliebter geworden, da das Interesse an Animationsfilmen für Erwachsene in den letzten Jahren gewachsen ist. Sowohl bei der Produktion als auch bei den Subventionen und der Beschäftigung macht die Animation etwa 35% der audiovisuellen Produktion in Luxemburg aus.
Die hohe Qualität der Arbeit in dem Bereich (der Animation) wurde 2014 mit dem Oscar für den Kurzfilm Mr Hublot ausgezeichnet und geehrt.
Auf der offiziellen Website des Film Fund Luxembourg findet man ein Werbevideo für die Animationsbranche. Können Sie uns noch mehr über diesen besonderen Bereich sagen, der Luxemburg bereits mehrere Preise eingebracht hat?
Vom 3. bis zum 5. März 2020 nimmt Luxemburg an der 22. Ausgabe der Cartoon Movie in Bordeaux teil, einem internationalen Forum für Koproduktionen und Pitches für europäische Animationsspielfilme. Dieses Jahr steht das Großherzogtum mit mehreren Produktionen und durch die Präsenz nationaler Produktionsgesellschaften und Studios sogar im Vordergrund des europäischen Animationsfilmes. Eine schöne Gelegenheit, um Luxemburg im Ausland und vor allem bei Branchenprofis vorzustellen. Ich denke, dass Luxemburg neben Frankreich und Belgien der wichtigste Vertreter der Animationsbranche in Europa ist, weshalb wir für die (Ko-)Produktion von Animationsfilmen sehr gefragt sind. Ich schätze, dass 7 von 10 der größten internationalen Animationsfilme der letzten Jahre in Luxemburg (ko-)produziert wurden. Die hohe Qualität der Arbeit in dem Bereich wurde 2014 mit dem Oscar für den Kurzfilm Mr Hublot ausgezeichnet und geehrt.
Der Film Fund unterstützt aktiv die Produktion von Projekten, die der virtuellen Realität gewidmet sind. Handelt es sich um die Zukunft des Kinos? Und was sind die Herausforderungen und neuen Entwicklungen der Industrie, denen man sich stellen muss?
Die virtuelle Realität ist kein Selbstzweck. Die neuen Technologien gehören zur Entwicklung des Kinos. Es ist wichtig, dieser Entwicklung zu folgen. Luxemburg war nicht präsent, als das Kino erfunden wurde, sondern hat sich in diesem Bereich erst vor 30 Jahren professionalisiert. Allerdings sind wir international im Bereich virtuelle Realität sehr anerkannt, und zwar dank des Pavillons beim Luxembourg City Film Festival und durch die Unterstützung von Werken von hoher Qualität.
Luxemburg möchte beim Thema neue Technologien und Digitalisierung ganz vorne mit dabei sein. Aus diesem Grund habe ich vor einigen Jahren angefangen, zu recherchieren und mich über die Entwicklungen im Bereich virtuelle Realität zu informieren und Studienreisen nach Quebec in Kanada oder nach New York in den USA zu unternehmen. Wir unterstützen Werke mit neuen Technologien, die ein wichtiger Bestandteil der audiovisuellen Produktion sind. Aber man muss sie nicht nur unterstützen, die Herausforderung ist auch, sie zu zeigen, denn sie einem breiteren Publikum zugänglich zu machen, ist noch schwierig. Während des Luxembourg City Film Festivals, bietet das Pavillon der virtuellen Realität der breiten Öffentlichkeit die Gelegenheit, Werke der virtuellen Realität zu entdecken, sich zu informieren und sich über die Entwicklungen der Branche aufzuklären. Es ist ein Ort des Austausches und der Vermittlung über neue Technologien. Und das mit Erfolg: die Besucherzahlen steigen jedes Jahr.
Ich denke, es ist nicht nötig, einen spezifischen Sektor der virtuellen Realität in Luxemburg zu gründen, aber es ist wichtig, dass die gesamte Branche der audiovisuellen Produktion sich für die Entwicklungen neuer Technologien interessiert. Die Produzenten, Techniker und Regisseure müssen aufgeschlossen und neugierig bezüglich der virtuellen Realität bleiben. Sie ist ein Weg in die Zukunft, aber nicht die einzige Zukunft.
"Es ist wichtig, dass die gesamte Branche der audiovisuellen Produktion sich für die Entwicklungen neuer Technologien interessiert. Die Produzenten, Techniker und Regisseure müssen aufgeschlossen und neugierig bezüglich der virtuellen Realität bleiben. Sie ist ein Weg in die Zukunft, aber nicht die einzige Zukunft."
Wie trägt die Kinoproduktion Luxemburgs zum Image des Landes bei? Und wie vertritt sie die drei Werte des Großherzogtums: Zuverlässigkeit, Dynamik und Offenheit?
Das Image ist für mich sehr wichtig. Man macht Kino nicht für das Image. Das ist nicht das Ziel. Die Stärke und Dynamik der audiovisuellen Branche stärken das Image auf organische Weise. Wir haben äußerst kompetente Profis, weshalb wir für die Durchführung von Koproduktionen, aber auch für berufliche Informationen sehr gefragt sind. Ich persönlich wurde mehrmals nach Quebec eingeladen, um die luxemburgischen Produktionen der virtuellen Realität vorzustellen. Luxemburg wurde 2019 auch beim Festival du film francophone d’Angoulême geehrt. Es war sensationell, die Beliebtheit Luxemburgs bei Fachleuten, politischen Vertretern, aber vor allem beim Publikum zu sehen! Die ganze Arbeit leisten wir nicht für das Image. Vielmehr entsteht das Image rund um die Qualität der Branche. Internationale Kooperationen (Kanada, Frankreich, Portugal, Belgien, etc.) zeugen vom Erfolg der Branche und damit vom Erfolg Luxemburgs als Referenz in der Welt des Kinos.
Seit 30 Jahren leiten Sie den Film Fund Luxembourg. Was war Ihre beste Erfahrung und was ist Ihre schönste Erinnerung?
Jeder Erfolg eines luxemburgischen Films auf nationaler oder internationaler Ebene ist ein Highlight und ein befriedigender Moment für die Branche. Es ist eine Anerkennung für die Qualität der Arbeit, die die Mitarbeiter in der audiovisuellen Produktion in Luxemburg jeden Tag leisten. Und natürlich der Moment, als ich bei der Oscar-Verleihung im Saal saß und die Namen der Produzenten von Mr Hublot für den Preis verkündet wurden – das werde ich nie vergessen. Dieses Ereignis hat mich am meisten geprägt, da es stellvertretend für die anderen Preise und Nominierungen steht, die Luxemburg erhalten hat.
Wir danken Guy Daleiden für dieses Interview und möchten unsere Leser darauf hinweisen, dass einige Abschnitte des Interviews aus layouttechnischen Gründen gekürzt wurden.
Zum letzten Mal aktualisiert am