Von Graffiti zur "Street Art" in Luxemburg Oder wie sich Graffiti innerhalb von 25 Jahren im Großherzogtum zu einer anerkannten Kunst entwickelt hat

Graffiti ist die Kunst, seinen Namen zu schreiben, und zwar in so vielen Stilarten, wie es Künstler gibt. Graffitikünstler schaffen mit ihren Schriftzügen Bilder im städtischen Raum, sie beweisen ein künstlerisches Know-how, und ihre Werke sind zeitgenössische Zeugen unserer Geschichte. In den 80er und 90er Jahren kamen die ersten Graffitis in Luxemburg zum Vorschein. Damals als Akt der Rebellion unter dem Einfluss der Hip-Hop-Szene angesehen, ist diese "Urban Art", die ihre Spuren im ganzen Land hinterlässt, mittlerweile demokratisiert, die Sprayer sind bekannt, und einzelne Wirkungsstätten werden ihnen zur Verfügung gestellt. Aber sehen Sie selbst! 

Die 80er und 90er Jahre: als alles illegal war

Kein Name, kein Gesicht: per Definition sind Graffitikünstler nicht als Personen bekannt, sondern aufgrund ihrer Namen, die sie auf den Wänden in Szene setzen. Es geht dabei um eine ganz eigene Sprache, Persönlichkeiten, ein Vermächtnis ...

In den 80er Jahren kamen mit der ersten Hip-Hop-Welle, die Europa erreichte, auch in Luxemburg die ersten Graffitikünstler auf. Man sah Graffitis unter Brücken, an verborgenen Orten im Süden des Landes oder in Unterführungen und an Baustellenzäunen in Kirchberg. Es waren eher Skater oder Breakdancer mit Bezug zur großen Rap-Szene, die ihre Spuren hinterließen, ohne ein echtes "Markenzeichen" zu besitzen. Damals war alles illegal, und in den Augen der Leute galten Graffitis nicht als hippe "Street Art" sondern als Schmierereien, die die Wände unnötigerweise verschmutzten.

Nachdem diese ursprüngliche Bewegung abgeflaut war, kam in den 90er Jahren eine zweite Welle auf. 1995 beschloss ein Erzieher entgegen den Trend, eine Gruppe von Jugendlichen zu unterstützen, die die Wände des Jugendzentrums, in dem er tätig war, stets mit Sprühdosen bemalten. Er organisierte ihnen ihre "erste große Wand", in der Rue de Strasbourg, damit sie diese mit ihren Graffitis verzieren konnten. Diese Jugendlichen sind noch heute bekannt: SUMO!, Spike, Stick, Dan Sinnes (Electric Avenue Tattoo), Alain Tshinza und viele andere.

Immer noch unter dem Einfluss des Hip-Hop war dieses Event quasi die "Geburt" der luxemburgischen Graffitiszene, die unabhängig zu werden begann. 

"Wenn alles schwarz und weiß ist, du aber bunt bist, stichst du hervor." SUMO!

Graffiti kommt aus der illegalen Ecke hervor

Die jungen Künstler werden sehr schnell von der Öffentlichkeit anerkannt. Das Graffiti tritt aus dem "Untergrund" hervor, und das pure Vergnügen wird in gewisser Weise auch zu einem Handwerk. Aufträge von der Handelskammer (Chambre des métiers), vom Konzertsaal "den Atelier" oder von Geschäften wie "Planet X" machen die Urheber und ihre Werke bekannt und ermöglichen Letzteren, für die Schaffung ihrer Graffitis Material zu kaufen oder sich dieses bezahlen zu lassen. Der zunehmende Nachschub an Material führt auch zu einem Anstieg der Produktion.

Die Graffitikünstler beginnen zu reisen und an "Jams" im Ausland teilzunehmen. Dort ist Graffiti bereits etablierter, und die verschiedenen Events ermöglichen es, mit anderen Künstlern aus der Großregion Kontakte zu knüpfen. Das Netzwerk wird größer und dank Studien im Ausland und der Veröffentlichungen in internationalen Magazinen und auf den ersten Websites, die sich eigens der Straßenkunst widmen, sogar auf weltweiter Ebene.

"Graffiti ist keine "Street Art" im eigentlichen Sinne. Bei Graffiti handelt es sich um Namen und Buchstaben. Es ist vielleicht weniger zugänglich als Straßenkunstbilder, aber Graffiti ist eine eigene Kultur. Es ist eine Gesamtheit, bei der das Pseudonym (engl. Tag) - die Unterschrift - ebenso wichtig ist wie die schöne Illustration, die mit dem Schriftzug einhergeht." Stick

Sich Gelände zu eigen machen, Orte erobern

Für die Eröffnung des Skatepark stellt die Stadt Luxemburg dem Graffitikünstler Stick und seinen Kumpeln aus Brüssel eine Wand zur Verfügung. Bei einer zweiten Session erweitern sie das Format der Fassade ein bisschen. Parallel dazu kreieren andere Personen hier und da Tags und Zeichnungen an dieser Wirkungsstätte. Die Stadt beschließt, alles wieder weiß zu streichen, um diese Wandmalereien ein für alle Mal zu beseitigen. Vor der Sanierung erlauben die Verantwortlichen allerdings der Szene, sich nochmals künstlerisch auszutoben. Sie hatten jedoch nicht erwartet, dass alle Gebäude innerhalb eines einzigen Wochenendes bemalt waren! 

Da die Sanierung nicht wirklich vorangetrieben wurde, erlaubt der im Schluechthaus niedergelassene Service Sports nun unter zwei Bedingungen "hochwertige" Graffitis: der Ort muss in sauberem und gutem Zustand gehalten werden, und die Künstler müssen sich bei ihrer Ankunft am Empfang des Skateparks eine entsprechende Genehmigung erteilen lassen bzw. sich dort offiziell anmelden. Ein Interview mit Xavier Bettel, damals Abgeordneter, im Magazin Rendez-vous (heute bekannt unter dem Namen City magazine) macht das Ganze schlussendlich offiziell: er erklärt schwarz auf weiß, dass er auf diesen "legalen" Ort stolz ist, der eigens der Graffitikunst gewidmet ist!

Heutzutage ist die Situation vollkommen anders: die Städte sind voll von Kommissionen für Straßenkunst und Kunst im öffentlichen Raum. "Street Art" ist für jedermann und öffnet uns die Türen zur Welt des Graffitis noch weiter. 

Interview mit Xavier Bettel im Magazin "Rendez-vous"
© Ville de Luxembourg, SUMO!

Eine eher kleine Szene

Graffiti ist eine Sprache, ein Ausdrucksmittel. Die Bezüge stammen aus der Kindheit und Jugend. Die Jugendlichen von heute sind mit den Bildern ihrer Vorgänger aufgewachsen und verwenden in ihren Graffitis die Bilder ihrer Generation. 

"Graffiti ist eine Wellenbewegung. Heute beobachte ich Generationen von jungen Menschen, die sich etwas trauen, die etwas schaffen und sich weiterentwickeln. Dann gehen sie ins Ausland, und die Szene flacht ab, bevor sie erneut Fahrt aufnimmt. Wenn jemand beim illegalen Graffiti erwischt wird, verrät er manchmal andere Künstler. Dies führt dann zum Stillstand der gesamten Szene." Stick

"Häufig beurteilst du die Kunst anhand des Künstlers. Beim Graffiti beurteilst du die Kunst an sich, da du den Künstler nicht kennst." SUMO!

Open Air-Galerien sind im ganzen Land zu entdecken

  • Stadt Luxemburg, Schluechthaus, Hollerich / L – 1111 Luxemburg
  • Kirchberg, rue du Grünewald, Park Klose-Groendchen
  • Stadt Luxemburg, rue de Hollerich (Baustellenzaun)
  • Dommeldingen, in der Nähe des ehemaligen Schwimmbads der Grundschule
  • Ettelbrück, Pont du Deich / Parking du Deich, rue du Deich
  • Esch-sur-Alzette, Kufa's Urban Art
  • Differdingen, Gewerbegebiet Haneboesch / L – 4562 Differdingen
  • Petingen, Skatepark