Die Wiedergeburt eines Landes

Der Zeitraum vom 16. bis zum 19. Jahrhundert wird häufig als Epoche der Fremdherrschaften verklärt. Im Gegenzug dazu wird der Wiener Kongress 1815 als Geburtsdatum des zeitgenössischen Luxemburg betrachtet. Dabei war das Großherzogtum noch lange nicht komplett unabhängig. Erst 1890 konnte das Land unter eigener Herrschaft bestehen.

Ein kleines Großherzogtum

1815 führte der Zerfall des napoleonischen Kaiserreichs zu einer Neuaufteilung der Europakarte. Mit dem Ziel, ein Bollwerk gegen Frankreich zu errichten, beschlossen die auf dem Wiener Kongress versammelten Großmächte die Gründung eines großen niederländischen Königreiches. Luxemburg wurde zum unabhängigen Großherzogtum erhoben, aber dem König der Niederlande Wilhelm I. von Oranien-Nassau zugesprochen, der nunmehr gleichzeitig den Titel eines König-Großherzogs trug.

Trotz des höheren Ranges verlor das Land zugunsten Preußens ausgedehnte Gebiete östlich von Mosel, Sauer und Our. Luxemburg verlor seine Gebiete in der Eifel, die heute die Städte Bitburg, Gerolstein und Daun sind.

Apropos Preußen: Der Wiener Kongress brachte eine zusätzliche Komplikation in Bezug auf den internationalen Status des Großherzogtums. Tatsächlich akzeptierte Wilhelm I., dass das Großherzogtum Mitglied des Deutschen Bundes wurde, der 39 deutsche Staaten zusammenschloss. Als Gegenleistung wurde die Luxemburger Festung zu einer Festung des Bundes, die mit deutschen Geldern und einer preußischen Garnison erhalten wurde.

Luxemburg war auf dem Papier zwar unabhängig, doch Wilhelm I. behandelte es wie eine Provinz der Niederlande. Die Luxemburger lehnten sich zwar nicht dagegen auf, doch sorgte die Wirtschafts- und vor allem Steuerpolitik der holländischen Regierung zunehmend für Unmut in der Bevölkerung.

Es lebe die Revolution! – Belgiens

Es war somit nicht verwunderlich, dass sich die Einwohner des Großherzogtums beim Ausbruch der Belgischen Revolution 1830 auf die Seite der belgischen Aufständischen stellten. Nach der Erklärung der Unabhängigkeit Belgiens am 4. Oktober 1830 saßen mehrere luxemburgische Vertreter in der verfassungsgebenden Versammlung und später in den Organen des jungen belgischen Staates. Lediglich die Hauptstadt des Großherzogtums blieb unter holländischer Kontrolle, da sie durch die preußische Garnison geschützt war.

Die Großmächte, die um eine schnelle Beseitigung des Revolutionsherdes bemüht waren, beschlossen, Belgier und Niederländer durch die Gründung des belgischen Königreiches zu trennen und gleichzeitig das Großherzogtum Luxemburg zwischen beiden Gegnern aufzuteilen (Vertrag der 24 Artikel vom 14. Oktober 1831). Das belgische Parlament stimmte zu, Wilhelm I. lehnte es acht Jahre lang ab.

Die Teilung wurde im Londoner Vertrag vom 19. April 1839 festgeschrieben. Nun gab es zwei Luxemburgs:

  • das Großherzogtum Luxemburg, das unter der Hoheit von Oranien-Nassau blieb,
  • und das belgische Luxemburg, das eine Provinz Belgiens bildete.

Die Demarkationslinie folgte mehr oder weniger der Sprachgrenze, mit Ausnahme der Region Arlon. Die im Vertrag von 1839 beschriebenen Grenzen haben seitdem nicht verändert.

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Auf dem Weg zu einem unabhängigen Luxemburg?

Wilhelm II. brach mit dem autoritären Stil seines Vaters. Als er das Land 1841 besuchte, erklärte er: "Ich will, dass Luxemburg von den Luxemburgern regiert wird."

Nach und nach wurden die Strukturen eines autonomen Staates eingeführt. Bereits 1841 billigte der König-Großherzog eine Verfassungsurkunde. In einer Reihe von grundlegenden Gesetzen wurden Kommunalorganisation, Schulwesen, öffentliche Wohlfahrt und Justiz, unter Beibehaltung des Code Napoléon, geregelt. Das Land profitierte wirtschaftlich von seiner Mitgliedschaft im Deutschen Zollverein, der deutschen Zollunion, welche die Grundlage für die Entwicklung der Eisen- und Stahlindustrie und den Bau der Eisenbahnschienen bildete.

Ab 1843 wurden Deutsch und Französisch an der Schule gelehrt, und Luxemburgisch wurde zur Verkehrssprache, mit der sich die Mehrheit der 170.000 Einwohner identifizierte. Die ersten Schritte hin zu einer Nation waren geschafft.

Doch kurz darauf drohte der Frieden gestört zu werden.

Luxemburg im Zentrum einer internationalen Krise

1866 führte der Österreichisch-Preußische Krieg zur Auflösung des Deutschen Bundes. Angesichts der Expansion Preußens suchte Frankreich nach einem territorialen Ausgleich. Luxemburg erschien dabei als eine leichte Beute. Napoleon III. schlug dem König-Großherzog folgenden Handel vor: das Großherzogtum für fünf Millionen Goldfranken. Wilhelm III. (1849-1890) war einverstanden, doch Preußen, das in der Festung Luxemburg immer noch eine Garnison stationiert hatte, widersetzte sich dem Plan.

Die "Luxemburgkrise" drohte, das Land in einen kontinentalen Konflikt nie gekannten Ausmaßes zu führen. Der Londoner Vertrag (11. Mai 1867) mündete in einem Kompromiss. Preußen zog seine Garnison ab, die Festung wurde geschleift und das Großherzogtum wurde zu einem auf ewig neutralen Staat unter der Garantie der Unterzeichnerstaaten erklärt. Im Gegenzug verzichtete Frankreich auf seine Territorialansprüche.

Hin zu einer nationalen Dynastie

Wilhelm III. war der letzte König-Großherzog. Nach seinem Tod im Jahr 1890 folgte ihm seine Tochter Wilhelmine auf den Thron der Niederlande nach. In Luxemburg war durch den Familienpakt nur eine männliche Erbfolge vorgesehen. Deshalb bestieg Adolf von Nassau-Weilburg in Luxemburg den Thron und gründete damit die aktuell herrschende Dynastie.

Bis heute tragen die dynastischen Beziehungen zwischen den Herrscherhäusern in Belgien, den Niederlanden und Luxemburg zu mehr als freundschaftlichen Beziehungen zwischen den drei Ländern bei.

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