Luxemburgische Pionierinnen

Der Internationale Frauentag wird in zahlreichen Ländern weltweit am 8. März gefeiert. Dieser Tag dient nicht nur dem Rückblick auf ihre Kämpfe und Errungenschaften in der Vergangenheit, sondern auch dem Ansporn künftiger Generationen von Frauen. Es ist auch eine Gelegenheit, acht luxemburgische Pionierinnen kennenzulernen bzw. zu würdigen, die in äußerst vielfältigen Bereichen, vom Unternehmertum über Politik, Gastronomie oder Kunst bis hin zur Bildung, einen Meilenstein gesetzt haben.

Barbe Peckels (1836-1906), Auftakt zum weiblichen Unternehmertum

Barbe Peckels war eine der ersten Geschäftsinhaberinnen und -führerinnen in Luxemburg. 1852 erwarb sie mit ihrem Mann einen Rohbau an einem Ort namens La Gaichel, und gemeinsam betrieben sie dort ein Gasthaus. Damals kamen Wanderer dort vorbei, um eine einfache regionale Küche und die Spezialitäten von Barbe Peckels zu kosten, die ein echtes Talent für das Kochen hatte. Sie stand bis zu ihrem Tod im Jahr 1906 an der Spitze des Familienunternehmens, und ihr Geist ist nach wie vor gegenwärtig. Dieses Gasthaus wandelte sich im Laufe der Jahre, und heute zählt die Domaine de La Gaichel zwei Hotels und drei Restaurants.

Kleine Anekdote

Seit ihrer Gründung wurde die Domaine de La Gaichel stets von der Mutter an die Tochter weitervererbt! Die Leitung des Familienunternehmens liegt derzeit in den Händen der sechsten Generation dieser weiblichen Linie.

Anne Beffort (1880-1966), Vorreiterin in Sachen Bildung für Mädchen

Das Leben von Anne Beffort drehte sich rund um die Bildung. In dem Bestreben, ihre schulische Bildung über die Mittelschule hinaus fortzusetzen, wählte sie in einer Ära, in der es keine weiterführende Schule für junge Mädchen gab, den einzig möglichen Weg und besuchte die Lehrerinnennormalschule. Ihr Wissensdurst wurde damit nicht gestillt: nach vier bestandenen Rangexamina studierte sie Literatur an den Universitäten von Münster und Paris. 1909 war sie die erste Luxemburgerin, die einen Doktortitel erhielt. Anne Beffort war ebenfalls die erste luxemburgische Französischlehrerin und Wegbereiterin für das Mädchengymnasium von Luxemburg, das im Jahr ihrer Promotion eröffnet wurde.

Kleine Anekdote

Anne Beffort war eine Bewunderin von Victor Hugo und widmete seinem Werk wissenschaftliche Studien. Anlässlich des 50. Todestages des Poeten im Jahr 1935 setzte sie sich für den Erwerb des Hauses, in dem er während seines Exils in Vianden gelebt hatte, seitens des luxemburgischen Staates ein, um dort ein Literaturmuseum einzurichten. Ihr Plädoyer brachte ihr sogar den Orden der Ehrenlegion ein, der ihr von Robert Schuman im Jahr 1948 verliehen wurde. Das Victor Hugo Haus wird momentan vollständig renoviert.

Marguerite Thomas-Clément (1886-1979), Frauen ziehen ins Parlament ein

Das aktive und passive Wahlrecht für Frauen in Luxemburg wurde 1919 verabschiedet. Dieser Wendepunkt in der Geschichte der Demokratie ermöglichte den Einzug der ersten Frau ins luxemburgische Parlament: es handelte sich um Marguerite Thomas-Clement, die einzige Abgeordnete zwischen 1919 und 1931.

Sobald sie auf der sozialdemokratischen Liste des Wahlbezirks Zentrum gewählt worden war, reichte sie einen Gesetzentwurf für die zivile und wirtschaftliche Geschlechtergleichstellung ein, der sich jedoch nicht durchsetzte. Dennoch erörterte sie im Parlament weiterhin Themen, die die Verbesserung der Arbeits- und Vergütungsbedingungen von Frauen betrafen, und prangerte die unhaltbaren hygienischen Zustände in der hauptstädtischen Geburtsklinik an. Sie zögerte auch nicht, Prostituierte zu verteidigen, die wegen ansteckender Krankheiten im Frauengefängnis inhaftiert wurden. Nachdem sie sich von der sozialistischen Partei distanziert hatte, wurde sie 1931 nicht wiedergewählt.

Das Frauenwahlrecht in Luxemburg

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts beruhte das luxemburgische politische System auf dem allgemeinen Zensuswahlrecht. Demnach konnten nur Männer, die eine bestimmte Steuer entrichtet hatten, wählen oder gewählt werden. Zu dieser Zeit waren Frauen komplett vom Wahlrecht ausgeschlossen. Obwohl eine Petition für das Frauenwahlrecht seitens der Sozialdemokraten im Jahr 1906 vorgelegt worden war, wurden erst nach dem Ersten Weltkrieg Forderungen laut.

In Luxemburg stachen eine Reihe von Aktivistinnen durch ihre Beharrlichkeit und ihr Engagement hervor und ebneten so den Weg für eine Anerkennung der Frauenrechte. Marguerite Mongenast-Servais, Marguerite Hey-Fink und Jeanne Meyer-Heucké waren die drei Pionierinnen, die erfolgreich Unterschriften sammelten, um dem Parlament die Petition für das aktive und passive Frauenwahlrecht vorzulegen, das schlussendlich am 8. Mai 1919 verabschiedet wurde.

Katrin C. Martin (1901-1983), Wegbereiterin des Journalismus

Katrin C. Martin war eine der ersten Luxemburgerinnen, die im Journalismus tätig war. Nach ihrem Lehramtsstudium (1920-1922) ging sie nach Paris, wo sie eine mondäne Kolumnistin wurde und Interviews mit gefeierten Schriftstellern wie dem Nobelpreisträger Anatole France führte. Durch ihre Heirat im Jahr 1927 erhielt sie die italienische Staatsbürgerschaft und unternahm danach lange Reisen in exotische Länder auf der ganzen Welt. Da sie sechs Sprachen beherrschte, arbeitete sie ebenfalls als Journalistin in Buenos Aires.

Ende der 30er Jahre kehrte sie nach Luxemburg zurück und wurde Redakteurin bei der Luxemburger Zeitung und anschließend beim Escher Tageblatt. Infolge eines Artikels gegen den Nationalsozialismus drohte ihr die nationalsozialistische Besatzungsmacht mit der Abschiebung nach Italien. Sie soll ein Buch über die Besatzungszeit in Luxemburg geschrieben haben, das wahrscheinlich verschollen ist. Nach 1945 engagierte sie sich als freischaffende Journalistin und Schriftstellerin und publizierte unter anderem in Les Cahiers Luxembourgeois. 1948 wurde sie als erste Frau Chefredakteurin der Revue, die sie in ein beliebtes Magazin verwandelte, und 1951 erhielt sie den Direktorenposten der Regionalausgabe der belgischen Tageszeitung La Meuse.

Kleine Anekdote

In Luxemburg erwachte der weibliche Journalismus in den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts durch die Hände von Frauen zum Leben, die häufig Lehramt studiert hatten. Der Grund: diese höheren Studien waren die einzigen, die Frauen bis 1909, dem Jahr in dem das Mädchengymnasium von Luxemburg eröffnet wurde, offenstanden.

Trailer Dokumentarfilm "Inspiring Women of Luxembourg". © Femmes pionnières/CNA 2022

"Inspiring Women of Luxembourg. Past, Present and Future" ist ein Dokumentarfilm, der von Anne Schroeder in Zusammenarbeit mit dem gemeinnützigen Verein Femmes pionnières du Luxembourg und dem Centre national de l'audiovisuel gedreht wurde. Der Dokumentarfilm stellt 12 Frauen mit außergewöhnlichen Lebensläufen vor, die die Geschichte des Großherzogtums Luxemburg geprägt haben oder gerade dabei sind, sie zu prägen. Er wurde am 8. März 2022 im luxemburgischen Pavillon auf der Expo 2020 Dubai uraufgeführt.

Die luxemburgische Regisseurin Anne Schroeder hat die Entstehung und Entwicklung der Frauenemanzipation bereits in ihrem Film "Histoire(s) de Femme(s)" (Samsa Film, 2018) nachgezeichnet.

Madeleine Frieden-Kinnen (1915-1999), Regierung in Frauenhand

Obwohl 1919 eine Frau ins luxemburgische Parlament einzog, mussten noch etwa 50 Jahre ins Land ziehen, bis eine Frau Mitglied der Regierung des Großherzogtums wurde. 1967 wurde Madeleine Frieden-Kinnen Staatssekretärin und war zuständig für die Ressorts Familie, Jugend und Bildung. Nach einer Regierungskrise, die zu vorgezogenen Wahlen führte, wurde sie Ministerin für Familie, Jugend und soziale Solidarität sowie Kultus- und Kulturministerin im Jahr 1969. Sie war die erste Frau mit einem Ministerposten.

Kleine Anekdote

Nach einer Pressekampagne der sozialistischen Zeitung Tageblatt, in deren Rahmen ihr "sittenwidriges Verhalten" vorgeworfen wurde, gab sie 1972 ihr Mandat auf. Die Affäre hat das politische Leben in Luxemburg lange Zeit beschäftigt und war Gegenstand zahlreicher Analysen, darunter der Artikel "Un monde misogyne et cruel" [Eine frauenfeindliche und grausame Welt] von der Journalistin Yolande Kieffer.

Elsy Jacobs (1933-1998), das weibliche Trikot des Radsports

Das Jahr 1958 ging maßgeblich in die Annalen des luxemburgischen Frauenradsports ein. Die Radsportlerin Elsy Jacobs siegte im August in Reims bei der ersten organisierten Straßen-Radweltmeisterschaft der Frauen. Einige Monate später stellte sie mit 41,348 gefahrenen Kilometern einen neuen weiblichen Stundenweltrekord auf der Vigorelli-Radrennbahn in Mailand auf, eine Leistung, die 14 Jahre lang unerreicht blieb. Elsy Jacobs war für den Wettkampf geboren, und ab 1958 fuhr sie auf der Suche nach Siegen durch ganz Europa. Im Verlauf ihrer Karriere bestritt sie etwa 1.200 Rennen und setzte sich über 300 Mal durch.

Seit 2008 wird der Grand Prix Elsy Jacobs in ihrem Heimatdorf Garnich ausgetragen. Im Rahmen des Rennens Randonnée Elsy Jacobs 2021, das am 1. Mai stattfinden wird, werden bis zu vier Strecken zwischen 60km und 100km angeboten.

Die Großherzogin des Radsports

Der Dokumentarfilm "Elsy Jacobs – Grouss-Herzogin vum Velosport" von Michel Tereba lässt die Erfolge der Großherzogin des Radsports, wie sie von ihren Freunden und Mitbewerbern genannt wurde, Revue passieren.

Léa Linster (1955-), herausragende Trägerin des Bocuse d'Or

Léa Linster ist in der Spitzengastronomie des Großherzogtums nicht wegzudenken. Und dies zu Recht, da sie die einzige Frau und alleinige luxemburgische Küchenchefin ist, die den Bocuse d'Or, im Rahmen der vom französischen Koch Paul Bocuse im Jahr 1987 ins Leben gerufenen Kochweltmeisterschaft, erhalten hat. Ein glückbringendes Jahr für Léa Linster: sie erhielt ihren Küchenmeisterbrief (wiederum als erste luxemburgische Frau, die ihn einheimste) und erhielt für ihr Restaurant in Frisingen ihren ersten Michelin-Stern. Ihre Spitzenleistung wurde durch ihre erneute Auszeichnung mit dem Bocuse d'Or im Jahr 1989 bestätigt.

Die international renommierte Luxemburgerin Léa Linster schrieb mehrere Bücher und präsentierte sogar Kochsendungen im Fernsehen. Es grenzt ans Unmögliche, alle Auszeichnungen Revue passieren zu lassen, die sie während ihrer Karriere erhalten hat! Auch wenn sie die Geschäfte an ihren Sohn Louis Linster übergeben hat, ist ihr Geist im Gourmetrestaurant, das ihren Namen trägt, immer noch gegenwärtig.

Kleine Anekdote

Das Restaurant besteht nunmehr aus einem Hauptraum, einem Wintergarten und einer Bar, die von einem Naturpark, der 2010 neu gestaltet wurde, umgeben sind. In den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts war das Ganze jedoch eine Tankstelle, die gleichermaßen als Bistro, Kegelbahn und Tabakladen diente.

Su-Mei Tse (1973-), der Goldene Löwe der Biennale von Venedig

Die luxemburgische zeitgenössische Kunst ist unweigerlich mit Su-Mei Tse verbunden. Musik, Fotografie, Bildhauerei, Video ...es ist unmöglich, ihre Kreationen einer bestimmten Nische zuzuordnen, da in ihren Werken üblicherweise mehrere Kunstdisziplinen kombiniert werden. Nach einer Ausbildung als klassische Cellistin studierte sie auch Textil- und Druckkunst und erhielt ihr Diplom im Bereich Bildende Kunst in Paris im Jahr 2000. Ihre Teilnahme an der Biennale von Venedig im Jahr 2003 bedeutete einen Wendepunkt für sie und für Luxemburg, da sie mit dem Goldenen Löwen für ihre Ausstellung Air conditioned ausgezeichnet wurde, eine bislang einzigartige Errungenschaft. Seitdem beschränkt sich ihr Werdegang nicht auf die nationalen Grenzen: ihr Werk, das mit Fragen über die Zeit, die Erinnerung, die Musikalität und Sprache durchzogen ist, wird auf der ganzen Welt gezeigt.

Kleine Anekdote

Am Eingang des luxemburgischen Pavillons der Biennale 2003 hatte Su-Mei Tse einen schalltoten Raum konzipiert, der auch tauber Raum genannt wurde, da er keine Geräusche wiedergab. Eine Reihe von Personen, die sich wohl gefühlt haben, verbrachten dort mit dem Durchblättern der Ausstellungskataloge mehrere Stunden. Andere fühlten sich von der Stille gefangen. Die Reaktionen waren äußerst intensiv!

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