Das immaterielle Kulturerbe im Rampenlicht: Entdecken Sie sieben traditionelle Schätze Luxemburgs

Im Herzen Europas bewahrt Luxemburg ein reiches Erbe immaterieller Kultur. Von der eindrucksvollen Kunst des Trockenmauerbaus bis zur zeitlosen Bedeutung der Hebamme in der Gesellschaft, von traditionellen Volkstänzen bis zur bewährten landwirtschaftlichen Technik des Fléizen – diese kulturellen Schätze erzählen von einer Geschichte, die Generationen überdauert hat. Ein Blick auf diese lebendigen Traditionen offenbart ein faszinierendes Panorama der kulturellen Vielfalt Luxemburgs.

Stein für Stein: Die Technik des Trockenmauerbaus

Der Trockenmauerbau ist eine nachhaltige Bautechnik, bei der das Eigengewicht der Steine und eine geschickte Anordnung genutzt werden, um eine stabile Struktur zu schaffen. Dabei wird vollständig auf Bindemittel wie Mörtel verzichtet.

Trockenmauerstrukturen findet man in Luxemburg an zahlreichen Orten, im Einklang mit lokalen Gegebenheiten: sei es Weinbergmauern entlang der Mosel, Wanderwege im Müllerthal, Hangbefestigungen im Ösling oder Ent- und Bewässerungsanlagen in den Tälern. Die erforderlichen Kenntnisse wurden über die Jahrhunderte hinweg mündlich überliefert.

Früher wurden Steine durch Bodenbearbeitung freigelegt, sortiert und gestapelt, um sie erneut zu verwenden. Im Laufe der Jahrhunderte wurden auf diese Weise einige Trockenmauerbautechniken perfektioniert. Allerdings geriet der Trockenmauerbau zeitweise in Vergessenheit, bedingt durch den Aufstieg moderner Technik und neuer Baumaterialien.

2024 wurde die Kunst des Trockenmauerbaus auf internationalen Antrag von 13 europäischen Ländern als eine von mehreren grenzüberschreitenden Traditionen in die Liste des immateriellen Kulturerbes der UNESCO aufgenommen.

Projekt Pellembierg in Ahn: Instandhaltung von historischen Trockensteinmauern in den Weinbergterrassen.
© MDDI (Ministère du Développement durable et des Infrastructures)

Die erprobte Kunst der Hebammen

Die Hebamme ist eine, in Medizin und Anatomie ausgebildete, Geburtshelferin. Ihre Kunst besteht darin, Eltern vor, während und nach der Schwangerschaft umfassend zu betreuen. Dabei verlässt sie sich vor allem auf ihre natürlichen Sinne. Diese Fähigkeiten wurden traditionell mündlich überliefert.

Bereits 1877 wurde die erste staatliche Hebammenlehranstalt in Luxemburg gegründet, gefolgt von der Einrichtung des luxemburgischen Hebammenverbands (ALSF) im Jahr 1919. In diesem Verband sind Hebammen aus Luxemburg mit diversen kulturellen Hintergründen vereint.

Die Betreuung durch eine Hebamme umfasst regelmäßige Kontrolluntersuchungen, Pflege für die Mütter sowie Geburtsvorbereitungskurse. Hebammen fördern zusätzlich das Verständnis des eigenen Körpers bei den Müttern. Dies ist entscheidend für selbstbewusste Mütter und gesunde Kinder.

Die Kunst der Hebammen wird gleichermaßen vom Staat, von Ärzten und von der Gesellschaft geschätzt. 2023 wurde die Hebammenkunst in die Liste des UNESCO-Weltkulturerbes aufgenommen.

Die Hebammen begleiten die Eltern in einen neuen Lebensabschnitt.
© Jessica Theis

Fléizen: Bewährte Landwirtschaft in Luxemburg

Das Fléizen, eine landwirtschaftliche Technik seit dem 15. Jahrhundert, wird von luxemburgischen Landwirten angewendet. Sie nutzen Gräben zur Bewässerung von Wiesen, indem sie Wasser aus Bächen, Flüssen oder künstlichen Weihern umleiten. Dies geschieht dreimal jährlich: Ende des Winters, nach der Erntezeit und im Herbst.

Die Resultate: gesteigerter Heuertrag, mehr Biodiversität und verbesserte Hochwasserschutzmöglichkeiten. Obwohl moderne Technologien diese kulturelle Praktik ersetzt haben, bleibt die luxemburgische Landschaft, insbesondere der Ösling, von diesen Gräben geprägt.

Im 19. Jahrhundert half das Fléizen, die Futterproduktion für das Vieh zu decken, und die Technik wurde sogar gesetzlich genormt. Ab den 1940er Jahren jedoch stellten die Gräben ein Hindernis für immer schwerere Landwirtschaftsmaschinen dar, während Kunstdünger sich als wesentlich effizienter erwies.

Heute sind die Gräben und das Fléizen ein Kulturgut und seit 2021 Teil des nationalen Inventars des immateriellen Kulturerbes. 2023 wurde das Fléizen offiziell Teil des UNESCO-Weltkulturerbes.

Fléizen: Anlegung eines Grabens zur Bewässerung.
© Caroline Martin

Schafe als Naturschützer: Luxemburgs Wanderschéiferei

Unter Wanderschéiferei versteht man in Luxemburg die Beweidung von Wiesen durch Umtriebe von Schafherden. Sie ist im ländlichen Norden sowie im urbanen Süden anzutreffen. 

Die Schafe werden von einem Hirten und seinem Hund koordiniert von einer Wiese zur nächsten geführt. Der Grund: Die Vorbereitung von Flächen auf die Nutzung, aber auch die Verbreitung und der Erhalt der Biodiversität. Start ist meist Mitte April und die Umtriebe dauern je nach Futterangebot bis in den Herbst oder Winter an.

Obwohl Beweidungspläne aufgestellt werden, bestimmen letztendlich die Schafe und die Natur das Tempo. Weiterhin transportieren die Schafe Insekten und Samen von Wiese zu Wiese, was die natürliche Vielfalt unterstützt. Die Wanderschéiferei wirkt so den Isolationseffekten unserer aufgeteilten Landschaft entgegen.

Ist dieser Teil der Naturschutzarbeit erledigt, widmen sich die Schafe der Pflege konventioneller Flächen, um sie auf den Winter vorzubereiten. Als UNESCO-Weltkulturerbe gilt die Wanderschéiferei seit 2023.

Wanderschéiferei: Saisonale Bewegung von Schafherden (Transhumanz).
© Guy Krier

Das immaterielle Kulturerbe in Luxemburg

Bräuche, Traditionen und mehr sind Bestandteile des immateriellen Kulturerbes, das die Menschen hierzulande täglich leben. Deswegen wird es auch lebendiges Erbe genannt, denn es wird von Generation zu Generation weitergegeben und durch stetige Einflüsse fortlaufend neu geschaffen.

Das luxemburgische Kulturministerium hält das nationale immaterielle Kulturerbe in einem Inventar fest. So wird der Erhalt unserer kulturellen Vielfalt und Identität nicht nur garantiert, sondern man kann sie im Rahmen von größeren Veranstaltungen und Festen hautnah erleben.

UNESCO Weltkulturerbe

© ORT MPSL

Bereits zwei unserer nationalen Kulturgüter wurden von der UNESCO als Weltkulturerbe anerkannt:

  • 2010 wurde die Sprangpressessioun in Echternach, welche jedes Jahr tausende von Pilgern anzieht, auf die UNESCO-Liste des immateriellen Weltkulturerbes aufgenommen.
  • 2020 folgten die luxemburgischen Haupeschbléiser, die sich der 300 Jahre alten musikalischen Kunst des Jagdhorns widmen.

Traditionen im Tanz: Die Vielfalt der Luxemburger Volkstänze

Früher fast vergessen, sind die Luxemburger Volkstänze heute wieder lebendig und fest in der Kultur verankert. Es gibt etwa 30 verschiedene traditionelle Tänze, die paarweise getanzt werden. Zu diesen gehören zum Beispiel Chiberli, Pik Polka oder Schottesch Näip.

Diese Tänze werden von nationalen Tanzgruppen bei Volksfesten oder Veranstaltungen, die das Land repräsentieren, aufgeführt. Die Tänzer tragen dabei authentische Trachten und werden von live gespielten Volksliedern begleitet. Das Ziel ist es, die Traditionen lebendig zu präsentieren und das Kulturerbe zu bewahren und weiterzugeben.

In den 1930er Jahren erkannte eine Jugendherbergsbewegung das Verschwinden dieser Traditionen. Sie legten den Grundstein für deren Erhalt durch umfassende Recherche und Befragung von ZeitzeugenNach dem Zweiten Weltkrieg wurden so die ersten Folklorvereine gegründet, die sich bis heute der Bewahrung dieser Bräuche widmen. 

Volkstanz zur Feier der Eemaischen.
© SIP / Marcel Schmitz

Das Fest der heiligen Barbara

Die heilige Barbara, die Schutzpatronin der Bergleute, wird jährlich am 4. Dezember vor allem im Süden des Landes gefeiert. Ein Umzug durch das Dorf, Böllerschüsse sowie ein Bankett sind traditionelle Bestandteile des Fests.

Darüber hinaus dient der 4. Dezember als Gedenktag für die 1500 Bergarbeiter, die in den Eisenerzminen des Minetts ihr Leben verloren haben. Die anspruchsvolle und äußerst gefährliche Arbeit der Bergleute legte den Grundstein für den heutigen Reichtum Luxemburgs.

Der Brauch besteht mindestens seit 1890 und wurde in den 1920- und 30er Jahren sogar zu einem bezahlten Feiertag für die Grubenarbeiter. Die letzte Mine, Grube Thillenberg, wurde längst vor über 40 Jahren geschlossen, aber die Tradition lebt weiter. Auch wenn die Pandemie das jährliche Fest ausgebremst hat, erstrahlen die Feierlichkeiten im ganzen Süden wieder in ihrem alten Glanz.

Statue der heiligen Barabara, Schutzpatronin der Bergleute.
© SIP

Luxemburgs Haus- und Flurnamen: Ein Fenster zur Geschichte

Die Haus- und Flurnamen Luxemburgs repräsentieren ein lebendiges Kulturerbe mit einer älteren Sprachstufe als unsere ersten schriftlichen Aufzeichnungen. Diese Benennungspraxis für Plätze und Gebäude dient als Orientierungssystem im öffentlichen Raum. Sie wurde über Generationen hinweg mündlich weitergegeben und ist für jeden zugänglich. Sie ermöglicht nicht nur die Verständigung über Orte, sondern vermittelt auch Identität und stärkt den sozialen Zusammenhalt.

Zum Beispiel gibt es in Bech-Kleinmacher ein Haus namens "A Possen", welches ein Museum und eine Weinstube beherbergt. Verschiedene Flurnamen haben historische Wurzeln bis zur Römerzeit, wie z.B. "Um Kiem", ein Römerweg auf dem Kirchberg. Andere wiederum sind düsterer Natur, wie die Richtstätten "Galgenbierger". Was sie alle teilen, ist ihr Vermögen, Einblicke in die Geschichte des Landes und seiner Gesellschaft zu gewähren.

Auch heute tragen Haus- und Flurnamen zur Benennung neuer Infrastrukturen wie Straßen, Stadtviertel oder Haltestellen bei. Durch ihre Analyse lassen sich sogar potenzielle archäologische Fundstellen und Biotope identifizieren.

Das Folkloremuseum und die Weinstube "A Possen" in Bech-Kleinmacher. Der Name ist abgeleitet von den ehemaligen Bewohnern des Hauses, der Familie Post.
© ORT Moselle / Jan Schwarz

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