Luxemburg: Nachhaltige Stadtentwicklung im Visier

Die nachhaltige oder ökologische Stadtentwicklung zielt auf ein Umdenken in Sachen Raumplanung ab, um so eine Symbiose zwischen städtischem Raum und Natur zu erreichen. In Luxemburg fördert das Konzept der ökologischen Stadtentwicklung mit positiven Auswirkungen die Schaffung von Wohnvierteln, in denen die Lebensqualität der Bürger im Mittelpunkt steht. Dieses städtebauliche Umdenken erfordert einen multidisziplinären Ansatz, bei dem die Dienstleister der Branche, die Behörden und die Zivilgesellschaft ihre Kräfte vereinen.

Die ökologische Stadtentwicklung mit positiven Auswirkungen: das Modell der Öko-Viertel

Über die Reduzierung der negativen Auswirkungen hinausgehen, ist einer der Schlüssel des neuen Ansatzes der ökologischen Stadtentwicklung. Es geht demnach nicht einfach nur darum, die Auswirkungen der Stadtentwicklung auf die Umwelt und den Menschen zu minimieren, sondern darum, positive Auswirkungen zu schaffen.

Die Praktiken zur Reduzierung der negativen Folgen für die städtischen Gebiete sind wohlbekannt: Begrenzung der Lichtverschmutzung oder des Bodenaushubs, um nur zwei zu nennen. Um positive Auswirkungen zu schaffen, müssen die Praktiken über die Konformität mit den derzeitigen Vorschriften hinausgehen, damit ein optimales Ergebnis erzielt werden kann. Beispielsweise indem man die Sonne in die Standort- und Gebäudeplanung einbezieht, um ein Gleichgewicht zwischen der Reduzierung der Überhitzung im Sommer und der Maximierung des natürlichen Lichteinfalls und der Produktion von Solarenergie zu erreichen.

Die Öko-Viertel

Das auf Öko-Vierteln aufbauende Vorgehen in Sachen ökologische Stadtentwicklung mit positiven Auswirkungen in Luxemburg legt den Schwerpunkt auf den bereichsübergreifenden Ansatz, den lokalen Kontext und die ständige kooperative Interaktion.

Zwecks Entwicklung dieser Öko-Viertel hat Luxemburg den Guide éco-urbanisme veröffentlicht (Juli 2021). Dieser Leitfaden ist ein Raumplanungswerkzeug, das sich nach 15 Themen im Zusammenhang mit den Zielen für nachhaltige Entwicklung (SDG) der Vereinten Nationen richtet, insbesondere SDG 3 - Gesundheit und Wohlergehen, SDG 11 - Nachhaltige Städte und Gemeinden, SDG 12 - Nachhaltige(r) Konsum und Produktion und SDG 13 - Maßnahmen zum Klimaschutz.

Die 15 Themen sind in Zielsetzungen und Strategien gegliedert und in drei große Kapitel eingeteilt:

  • Das Kapitel "Mensch", welches die Bereiche Wohlergehen, Gesundheit, Soziales und Wirtschaft und Mobilität behandelt.
  • Das Kapitel "Ressourcen", das den Themen Boden, Luft, Wasser, Energie, Materialien, Natur, Ernährung gewidmet ist.
  • Das Kapitel "Prozesse, Methodik", in dem es um Ko-Kreation und Beteiligung geht.

Besonders interessant ist die Tatsache, dass die Praktiken, um positive Auswirkungen zu schaffen, vielfältige Auswirkungen auf mehrere Bereiche gleichzeitig haben. Die Einführung einer Strategie der Priorisierung der aktiven Mobilität und des ÖPNV ist ein gutes Beispiel dafür: Sie wirkt sich nicht nur auf das Wohlergehen aus (Viertel mit weniger motorisiertem Individualverkehr und somit weniger Lärmbelästigung), sondern auch auf die Gesundheit (Fahrradfahren und bessere Luftqualität).

Der Bürger im Fokus der ökologischen Stadtentwicklung

Einer der wesentlichen Aspekte des ökologisch-städtebaulichen Ansatzes ist die Tatsache, dass der Bürger im Mittelpunkt steht. Diese zentrale Rolle des Menschen zeigt sich in zweierlei Hinsicht: Einerseits kommen die positiven Auswirkungen ihm zugute, und andererseits beteiligt er sich im Rahmen einer ständigen Zusammenarbeit an der Entscheidungsfindung.

Wohlergehen und Gesundheit sind zwei wesentliche Aspekte im Hinblick auf den Bürger als Begünstigter der nachhaltigen Stadtentwicklung. Es geht in der Tat darum, Stadtviertel zu bauen, die eine hohe Lebensqualität bieten und in denen die Bewohner sich mit ihrem bebauten und sozialen Umfeld identifizieren können. Hierzu gilt es, Umgebungen überschaubaren Ausmaßes (Viertel) zu schaffen oder ein vielfältiges Stadtflair zu bieten, in dem Personen jeden Alters u.a. ein erfülltes Leben führen können. Zudem muss auf den akustischen Komfort geachtet werden und beispielsweise eine natürliche Beleuchtung bevorzugt werden, um direkte positive Auswirkungen für die Gesundheit zu erzeugen.

Im Juni 2021 besuchte S.R.H. der Großherzog die Elmen-Baustelle und ein Musterhaus im Dorf.
© SIP / Jean-Christophe Verhaegen, alle Rechte vorbehalten

In Luxemburg gibt es bereits Initiativen, die den ökologisch-städtebaulichen Ansatz, bei dem der Bürger im Mittelpunkt steht, bevorzugen. Das "Dorf" Elmen ist ein solches Beispiel, wo das Konzept von Lebensqualität, Nachhaltigkeit und Nutzungsmischung zum Einsatz kommt. Es handelt sich hier nicht nur um erschwinglichen und aufgrund seiner innovativen ökologischen Vorzüge teilweise bezuschussten Wohnraum, sondern es geht auch darum, den künftigen 2.000 Bewohnern Grünflächen und Raum zu bieten, um das Zusammenleben zu fördern. Dahinter steckt die Idee, die Bewohner dazu zu ermutigen, die Straße für sich zu beanspruchen und sich innerorts möglichst zu Fuß und mit dem Fahrrad fortzubewegen. Das Entstehen einer Gemeinschaft soll auch durch die Nahversorgung gefördert werden, dies in Form von Secondhandläden oder sog. Sharing Points im Hinblick auf die Vermietung von Werkzeugen oder Haushaltsgeräten.

Andererseits sind Ko-Kreation und Beteiligung Wege, durch die der Bürger zum Entscheider wird. Die ökologische Stadtentwicklung fördert in der Tat die Arbeit in multidisziplinären Teams, die Ideen und Wissen austauschen, und bezieht alle Stakeholder in den Planungsprozess, die Beratung und die gemeinsame Entscheidungsfindung ein. Das Know-how der Fachkräfte aus den Bereichen Stadtplanung, Landschaftsgestaltung und Bauwesen (Städteplaner, Architekten, Ingenieure, Landschaftsgestalter) ist aufgrund von deren fachlichen Kompetenzen und Fähigkeit, über die Vorschriften hinausgehende Lösungen mit positiven Auswirkungen vorzuschlagen, weiterhin wesentlich. Die Zivilgesellschaft, die in diesen neuen Räumen leben soll, wird aber zunehmend in die Ausarbeitung einbezogen.

Das Projekt Neischmelz in Düdelingen

Ziel des vom Fonds für Wohnungswesen entwickelten Projekts Neischmelz ist es, den ehemaligen Stahlstandort in Düdelingen in ein CO2-neutrales Öko-Viertel umzuwandeln. Die Stadt Düdelingen hat von Beginn des Projekts an beschlossen, ihre Einwohner bestmöglich einzubeziehen und die Bürger dazu zu bewegen, sich den Raum wieder anzueignen.

Noch vor dem Bau des Viertels wurden vorübergehende Infrastrukturen und Übergangsaktivitäten eingerichtet. So hat sich beispielsweise das Künstlerkollektiv DKollektiv in der Fondoucq-Halle einquartiert. 2019 organisierten sie gemeinsam mit FerroForum das Erlebnisdinner Alerte Gourmande Iessen op eege Gefor! (Essen auf eigene Gefahr) , um die vielfältigen Einflüsse der Migrationsströme im Land der roten Erde ins Rampenlicht zu rücken. Im Anschluss an dieses Event wurde das Buch Gudden Appetit! veröffentlicht.

Das Projekt Neischmelz ist ein Beispiel für die Beteiligung der Bürger an der Raumplanung. Das Hal Fondoucq beherbergt Treffen von Verbänden.
© Cedric Czaika / DKollektiv, alle Rechte vorbehalten
Im Anschluss an den Vorstellungsabend "Gourmet Alert - Iessen op eege Gefor!" haben die Vereine DKollektiv und FerroForum das Buch "Gudden Appetit!".
© DKollektiv / FerroForum, alle Rechte vorbehalten

Die Kreislaufwirtschaft in der ökologischen Stadtentwicklung

Der Ansatz der Kreislaufwirtschaft ist die Grundlage der Schaffung von Öko-Vierteln. Die Kreislaufwirtschaft ist ein wirtschaftliches Tausch- und Produktionssystem, das in allen Stadien des Lebenszyklus der Produkte - Güter und Dienstleistungen - darauf abzielt, die Effizienz der Nutzung der Ressourcen zu erhöhen und die Auswirkungen auf die Umwelt zu verringern, und gleichzeitig dem Wohlergehen des Menschen zugute kommt.

Der Rückbau des Jean-Monnet-Gebäudes ermöglichte die Wiederverwendung und Wiederverwertung der Materialien in regionalen Fabriken.
© Administration de l'environnement, alle Rechte vorbehalten

Der Rückbau des Jean Monnet-Gebäudes

Entgegen dem klassischen linearen Modell "Rohstoffe-Produktion-Handel/Verbraucher-Entsorger" schafft die Kreislaufwirtschaft Wert und erhält ihn dank des Kreislaufs des Teilens, Reparierens und Wiederverwendens. Der Rückbau des Jean Monnet-Gebäudes in Kirchberg ist ein Paradebeispiel für diese Vorgehensweise. Es ging nicht mehr darum, ein Gebäude am Ende seiner Lebensdauer abzureißen, sondern vielmehr, alle Materialien bestmöglich zu verwerten. Insgesamt konnten 400 Tonnen Aluminium, 45 Tonnen Holz und 150 Tonnen Glas in regionalen Werken recycelt werden, wodurch ein doppelter Mehrwert, sowohl in wirtschaftlicher als auch ökologischer Hinsicht, entstanden ist.

Was die Baumaterialien in den Öko-Vierteln angeht, wird demnach darauf gesetzt, das Bestehende aufzuwerten und die Grundsätze der Kreislaufwirtschaft anzuwenden, um eine bessere Verwertung der Gebäude und der Ressourcen am Ende ihrer Nutzungsdauer zu gewährleisten.

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