Musiker sein in Luxemburg

In der Philharmonie ist es ungewöhnlich still, als wir zusammen mit der israelischen Bratschistin Maya Tal durch das lichtdurchflutete Foyer schlendern. Die junge Berufsmusikerin trat dem Philharmonischen Orchester Luxemburg, kurz OPL, nur wenige Monate bei, bevor Covid den europäischen Kontinent traf und viele Dinge unseres geliebten kulturellen Lebens auf Eis gelegt wurden. Die Pandemie hat an diesem Gebäude und seinem Ensemble, dem OPL, ihre Spuren hinterlassen. Proben mussten neu organisiert werden, und im Zuschauerraum, in dem normalerweise 1.500 Musikliebhaber Platz finden, sind derzeit nur 100 Zuschauer zugelassen. Bislang bereut Maya Tal die Entscheidung, die sie und ihr Mann betreffend ihren Umzug nach Luxemburg getroffen haben, nicht - auch wenn sie vorab sehr wenig über das Land wussten, sind sie mit ihrer Wahl mehr als glücklich.

Wussten Sie vor Ihrer Ankunft irgendetwas über Luxemburg?

Ehrlich gesagt, wusste ich nicht viel. Ich hatte zwei Freunde, die in den letzten Jahren hier gelebt hatten. Sie sind beide freiberufliche Musiker. Und sie erzählten mir, dass es ein schönes Fleckchen ist, voll von Landschaften und Wäldern und großartiger Architektur und dass es dort ein Orchester gibt, das richtig gut spielt. Mein Mann und ich dachten dann, dass dies ein wirklich angenehmer Ort sein würde, um unser gemeinsames Leben zu beginnen.

Haben sich diese Beschreibungen Ihrer Meinung nach bewahrheitet?

Auf alle Fälle. Ich habe anfangs gleich festgestellt, dass die Menschen hier äußerst aufrichtig und freundlich sind; das war einfach eine enorme Erleichterung.

Ganz zu Beginn, vor Covid, als ich noch in der Probezeit war, hatte ich zum Reisen nicht viel Zeit. Ich spielte Vollzeit im Orchester, und am Wochenende ruhte ich mich nur aus. Als es dann mit Covid losging und wir alle nach Hause geschickt wurden, begann ich, Luxemburg außerhalb des Stadtzentrums zu erkunden, und es war einfach atemberaubend. Ich erinnere mich, dass wir ein Auto nahmen und überall hinfuhren. Und wir konnten nicht genug davon bekommen. Wir kamen nach Hause, und gleich am nächsten Tag machten wir uns wieder auf. Es war einfach nur schön.

Gab es ein besonderes Bild oder eine besondere Erfahrung, das/die hängengeblieben ist?

Ich denke, als ich erstmals den Stadtteil Grund besuchte, war ich hin und weg. Es ist nicht wirklich Natur per se, es ist irgendwie noch in der Stadt, was sogar noch spezieller war. Da ist diese Wand in Grund , wo dieser Fluss, die Alzette entlang fließt, ich blieb dort zwei Stunden lang, nur um alles in mich aufzusaugen, was ich sah. Jetzt habe ich mich an die Aussicht gewöhnt, aber als ich diese Art von Natur und Tälern hier in der Gegend zum ersten Mal sah, hat es mich tief beeindruckt. Es war eine wirklich großartige Erfahrung.

Maya Tal wurde 1993 in Tel Aviv geboren und begann im Alter von 6 Jahren, Violine zu spielen. Sie studierte in Israel und Deutschland und belegt derzeit einen Master-Studiengang an der Hanns Eisler Hochschule in Berlin unter Prof. Tabea Zimmermann. Seit ihrem Umzug nach Luxemburg im Jahr 2019 haben sie und ihr Mann die hohe Lebensqualität, die das Land bietet, zu schätzen gelernt. 

Gab es ein besonderes Momentum, das Sie überzeugte, es mit Luxemburg zu versuchen?

Ich denke, das hatte nichts mit dem Land an sich zu tun. Es hatte mit der Philharmonie zu tun. Die Philharmonie behandelt ihre Musiker mit größtem Respekt, und man kann im Land spüren, dass Musik beliebt ist, dass sie respektiert wird, dass die Regierung sie überall fördert, wo es ihr möglich ist. Ich kenne mich nicht wirklich gut mit den Bedingungen für Freiberufler hier in Luxemburg aus, aber als Angestellte der Philharmonie und der Regierung hier unterstehend, fühlte ich, dass Musik hier sehr große Priorität beigemessen wird. Dort, wo ich herkomme, ist dies nicht immer so.

Ist dies Luxemburgs größter Vorteil?

Die Liebe zur Kunst ist spürbar. Ich habe den Eindruck besonders jetzt in dieser Krise, weil Kunst als etwas erscheint, was nicht unbedingt erforderlich ist, aber es in Wahrheit doch ist. Und gerade die Tatsache, dass die Philharmonie alles versuchte, was sie konnte, um weiterzumachen, war ein echtes Zeugnis für diese Art von Arbeitsumfeld.

Hat Luxemburg einen Ruf unter internationalen Künstlern?

Der Mann meiner Professorin Tabea Zimmermann - ich studiere nämlich noch in Berlin – war hier Chefdirigent, seine Name war David Shallon. Sie war oft hier, und von ihr hörte ich nur Gutes über Luxemburg. Aber meiner Meinung nach kann man nicht wirklich verstehen, wie es hier ist, bevor man nicht hier lebt.

Nachdem Sie jetzt schon 2 Jahre hier leben, was würden Sie Freunden erzählen, wenn Sie über das Land berichten sollten?

Ich würde ihnen sagen, dass es wirklich ruhig und gelassen ist. Ich habe nie irgendwo gelebt, wo ich mir alles erfüllen konnte, was ich wollte. Ich habe die Zeit und die Energie, alles zu tun. Es ist nicht strapaziös wie das Leben in einer großen Metropole. Es ist sehr angenehm und familienfreundlich. Und die Menschen sind wirklich freundlich, ich kann es nicht oft genug sagen - wo ich herkomme, können Menschen sehr laut und direkt sein, und hier respektieren die Menschen wirklich den Einzelnen.

Auf gewisse Weise sind wir nicht in viele luxemburgische Gemeinschaften eingebunden, was ich als problematisch empfinde. Im Orchester gibt es nämlich nur sehr wenige Musiker, die ursprünglich aus Luxemburg stammen. Und das ist spürbar, auch in der Art und Weise, wie wir spielen. Viele verschiedene Bildungssysteme mischen sich in einem einzigen Orchester, im Gegensatz zum Leben in Deutschland oder Frankreich, wo man nur diese eine Art von Schule und Musikausbildung hat. Und da wir nicht mit vielen "echten" Luxemburgern zu tun haben, denke ich, dass wir vieles verpassen. In meinen Augen sind wir unserem Publikum, was überwiegend aus Luxemburgern besteht, nicht besonders nah.

Würden Sie sagen, dass diese Mischung verschiedener Herkünfte dem OPL eher zugutekommt?

Ja, in der Tat. Ich habe den Eindruck, dass man in Luxemburg nie ein Fremder ist. Das ist meiner Meinung nach der größte Vorteil des hiesigen Lebens. Wenn Sie nämlich die Straße entlanggehen, müssen Sie nicht denken, "Oh, ich spreche die Sprache nicht, und das ist ein Problem". Ich habe den Eindruck, dass man überall, wo man hingeht, auf eine Gruppe trifft, die der eigenen Mentalität oder dem eigenen Hintergrund ähnelt. Ich habe eine gute Freundin im Orchester, sie ist Armenierin. Wir stammen aus sehr unterschiedlichen Ecken der Welt, aber sie kommen einem wirklich wie ein und derselbe Ort vor. Auch wenn es hier nicht viele Israelis gibt, fühle ich mich überhaupt nicht allein. Das ist etwas Besonderes.

Wie lange werden Sie wohl in Luxemburg bleiben?

Ich denke, die Zukunft ist für uns alle als Musiker nicht klar. Ich kann nur hoffen, dass ich für lange Zeit hier bleiben kann. Als wir, also mein Mann und ich, uns gerade kennengelernt hatten, hatten wir keine Ahnung, dass wir in Luxemburg leben würden, aber nun sind wir hier. Natürlich würde ich gerne bleiben, das hoffe ich. Eine Familie hier zu gründen, wäre wirklich wunderbar.