Das autonome Fahren macht in Luxemburg Fortschritte
Erstmals mischt sich ein selbstfahrendes Familienauto unter die Verkehrsteilnehmer in Luxemburg. Die Vorführung, die in Kirchberg stattgefunden hat, ist das Ergebnis von fünf Jahren Forschungsarbeit des 360Lab-Teams der Universität Luxemburg. Die technischen Forschungen und die gesetzlichen Fortschritte werden zukünftig den Übergang vom derzeitigen Stand der bedingten Autonomie zu einer vollständigen Autonomie ermöglichen.
Künstliche Intelligenz für ein sichereres und nachhaltigeres Ökosystem
Anfang November 2022 hat das Interdisciplinary Centre for Security, Reliability and Trust (SnT) der Universität Luxemburg sein autonomes Fahrzeug im Straßenverkehr auf dem Kirchberg-Plateau präsentiert. Dieses Fahrzeug dient als Testplattform für Navigationstechnologien und HD-Karten, die Gegenstand der Forschungen im 360Lab des SnT sind.
Bei dem Fahrzeug, das sich auf einer 3km langen Rundstrecke bewegte, handelt es sich um einen angepassten elektrischen Kia, der unter anderem mit einem Sensor, der die Strecke in Echtzeit kartografieren kann, einem Bordcomputer mit künstlicher Intelligenz, die auf das Fahren gedrillt ist, und einer HD-Karte ausgestattet ist. HD-Karten bilden in der Tat die Grundlagen für die autonome Navigation: sie sind exponentiell detaillierter als SD-Karten, die für traditionelle Navigationsdienste in aktuellen Fahrzeugen und Smartphones genutzt werden.
3 Fragen an ... Prof. Dr. Raphaël Frank, Leiter des 360Lab
Wie ist der Test mit dem autonomen Fahrzeug abgelaufen? Öffnen sich nach der Vorführung neue Wege in der Forschung?
Das Ziel des Events bestand darin, unseren Partnern und der Öffentlichkeit die verschiedenen Projekte des 360Lab rund um die intelligente Mobilität, darunter das autonome Fahren, vor Augen zu führen. Es handelte sich somit vor allem vielmehr um ein Event, um die Fortschritte unserer Forschungen aufzuzeigen, als um einen rein wissenschaftlichen Test. Der Test ist wie vorgesehen abgelaufen, und es trat kein größeres Problem auf.
Neue Wege in der Forschung öffnen sich, das stimmt. Dieser Test veranschaulichte vor allem ein Technologieprojekt, aber es gibt viele kleine Forschungsnischen rund um das autonome Fahrzeug, an denen Doktoranden des 360Lab bereits arbeiten.
Einer dieser Forschungsschwerpunkte liegt in der Bereitstellung einer äußerst detaillierten Kartografie. Diese funktioniert wie Google Maps für autonome Fahrzeuge, einschließlich extrem präziser Umweltdaten, was die deutliche Herabsetzung der Kosten für diese Art von Fahrzeugen ermöglicht, da es nicht mehr erforderlich ist, über Sensoren zu verfügen, bei denen es sich häufig um eine sehr kostspielige Ausstattung handelt. Die Idee besteht darin, viele Umweltdaten zu besitzen, die bereits im Fahrzeug verfügbar sind oder die über ein mobiles Netz, z. B. 5G, heruntergeladen werden können. Mit dieser Forschung soll gewährleistet werden, dass die Kartografie stets aktuell ist, sodass wirklich sichergestellt werden kann, dass der Inhalt der Karte der Realität entspricht. Die verschiedenen Ansätze werden gerade im 360Lab untersucht.
Wie kann das autonome Fahren zu einem sichereren und nachhaltigeren Mobilitätsökosystem beitragen?
Wir gehen von dem Grundsatz aus, dass Roboter und somit das autonome Fahren sicherer sein werden als das menschliche Fahren.
Wirft man einen etwas weiteren Blick in die Zukunft, wenn wir komplett autonome Fahrzeuge haben werden, wird manuelles Fahren nicht mehr (oder zunehmend weniger) benötigt, und die Anzahl der Fahrzeuge auf unseren Straßen kann sich deutlich verringern. Das heißt auch, dass wir nicht mehr unbedingt ein Fahrzeug erwerben oder besitzen müssen. Es würde sich vielmehr um einen On-Demand-Mobilitätsservice handeln: es wird Fahrzeuge geben, die fast überall verteilt werden, und sobald wir uns von einem Punkt A zu einem Punkt B bewegen müssen, können wir auf ein umfassendes Mobilitätsangebot zurückgreifen. Ein bisschen wie der Ansatz von Uber: wir werden mobile Apps für die Reservierung einer Fahrt haben, und diese Fahrzeuge werden uns autonom abholen, um uns dann dort abzusetzen, wo wir hinwollen. Bei der Verfolgung dieses Ansatzes geht es um die maximale Nutzung von Fahrzeugen und somit um die Herabsetzung der Gesamtzahl von Fahrzeugen. Viele Fahrzeuge werden tatsächlich nur eine Stunde am Tag genutzt und dann für den Rest des Tages abgestellt. Demnach werden wir viel effizienter sein können: das ist die mit Robotern verbundene Idee der Nachhaltigkeit und Sicherheit.
Können die Technologien der autonomen Mobilität in anderen Bereichen der Forschung verwendet werden? Haben Sie im Alltag andere Anwendungsmöglichkeiten?
Es gibt enorm viele Anwendungsmöglichkeiten. Ein großer Teil der Technologie hinter dem autonomen Fahrzeug ist die Technologie der Wahrnehmung: versuchen zu erkennen, was es rund um das Fahrzeug gibt. Ich habe bereits die digitale Kartografie erwähnt, aber diese dient lediglich für statische Objekte, die sich nicht bewegen. Man muss allerdings auch über Sensoren verfügen, um all das zu erkennen, was rund um das Auto in Bewegung ist. Dafür gibt es sichtgestützte Systeme: beispielsweise Kameras, die andere Fahrzeuge erkennen und versuchen, ihnen zu folgen. Diese Wahrnehmungstechnologien werden bereits in vielen KI-Anwendungen verwendet, um Bilder zu analysieren. Wenn wir beispielsweise auf einen Parkplatz fahren, gibt es nun häufig Kameras, die das Kennzeichen lesen, und bei der Ausfahrt wird die Kamera das Kennzeichen automatisch erkennen und die Schranke öffnen. Wenn man bereits bezahlt hat, ist kein Ticket mehr notwendig. Dies ist ein Beispiel, aber es gibt tausend andere. Die Wahrnehmungstechnologie wird bereits in zahlreichen Bereichen genutzt.
Bei allem, was mit der Robotik zusammenhängt - autonome Drohnen, Raumfahrtsektor -, handelt es sich auch um sehr ähnliche Technologien.
Klassifizierung des autonomen Fahrens
Die SAE International ist eine internationale Berufsorganisation, die Standards für die Verkehrsindustrie, insbesondere für die Raumfahrt, Automobilbranche und Nutzfahrzeuge, entwickelt. Für das autonome Fahren von Fahrzeugen hat die SAE eine - überwiegend akzeptierte - Klassifizierung in sechs Autonomiestufen festgelegt:
- Stufe 0: keine Automatisierung des Fahrens, der Fahrer ist uneingeschränkt für das Fahren verantwortlich (Lenkung, Beschleunigung, Bremsvorgang, Parken und jedes andere Fahrmanöver).
- Stufe 1: Fahrunterstützung, mit Assistenzsystemen wie der adaptiven Geschwindigkeitsregelung. Der Fahrer ist weiterhin für das Fahren verantwortlich und muss bereit sein, jederzeit die Kontrolle zu übernehmen.
- Stufe 2: Teilautomatisierung des Fahrens, mit hochentwickelten Fahrassistenzsystemen, die die Lenkung, Beschleunigung und den Bremsvorgang in spezifischen Situationen, beispielsweise die Fahrassistenz auf Autobahnen, übernehmen können. Der Fahrer muss achtsam bleiben und die Technologie aktiv überwachen.
- Stufe 3: bedingte Automatisierung des Fahrens, bei der auf Fahrassistenz- und KI-Systeme zurückgegriffen wird, die die Entscheidungen entsprechend den Fahrsituationen rund um das Fahrzeug treffen. Der Fahrer muss die Technologie zwar nicht mehr überwachen, muss jedoch anwesend, wachsam und in der Lage sein, die Kontrolle über das Fahrzeug jederzeit zu übernehmen.
- Stufe 4: Hochautomatisierung des Fahrens, die keines menschlichen Eingreifens in die Funktionsweise des Fahrzeugs bedarf, da Letzteres so programmiert ist, dass es anhält, wenn ein System ausfällt.
- Stufe 5: Vollautomatisierung des Fahrens, was bedeutet, dass das Fahrzeug überall und unter allen Bedingungen ohne jegliches menschliche Eingreifen ganz allein fahren kann. Eine Betätigung des Lenkrads oder der Pedalen ist somit nicht mehr erforderlich.
Das 360Lab, der intelligenten Mobilität gewidmet
Das 360Lab des SnT der Universität Luxemburg ist das erste Forschungslabor, das sich thematisch der intelligenten Mobilität verschrieben hat. Das 360Lab soll als Rahmen für Forschungsprojekte dienen, die gemeinsame Ausstattungen und komplementäres Fachwissen teilen, um strategische und kollaborative Forschungen im weiter gefassten Bereich der Innovation in Sachen Mobilität zu betreiben.
Die Forschungsbereiche des 360Lab erstrecken sich unter anderem auf: autonome Systeme, Car2x-Kommunikationen (Vehicle-to-Everything, V2X), die künstliche Intelligenz für die automatisierte Mobilität, Sicherheit und Resilienz der Fahrzeugsysteme, Erkennungstechnologien, Modellierung und Simulation der Mobilität und Verkehrsplanung.
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