Bildung im 21. Jahrhundert (I)

Das Ziel der nationalen Forschungs- und Innovationsstrategie besteht darin, aus Luxemburg eine nachhaltige, vielfältige und digitale Wissensgesellschaft zu machen. Die Bildung ist diesbezüglich ein Schlüsselelement. In einem kosmopolitischen Land ist es daher nur eine logische Folge, dass das Bildungssystem den Schülern ermöglicht, in einem offenen, vielfältigen und mehrsprachigen Umfeld aufzuwachsen und zu lernen. Eine Herausforderung, der sich die Forscherin Tahereh Pazouki und die Lehrerin Sarah Scholtes zu stellen bereit sind! In einem ersten Artikel berichten wir gemeinsam mit dessen Gründerin Tahereh Pazouki über das Magrid-Programm. In einem zweiten Artikel diskutieren wir mit Sarah Scholtes über das im September 2022 gestartete Pilotprojekt der Alphabetisierung auf Französisch.

Lernen für die Gesellschaft von morgen

Rasch fortschreitende technologische Entwicklungen sind Teil unseres Alltags. In Luxemburg gehören digitale Technologien somit nicht nur zu den Inhalten des Bildungsprogramms, sondern werden auch als Tools genutzt, um über diese Inhalte aufzuklären. Sie helfen unter anderem dabei, die Herausforderung der Mehrsprachigkeit in den Schulen zu meistern. Die Forschung in Luxemburg studiert und entwickelt Programme und Möglichkeiten, um die Chancengleichheit unter allen Schülern jeder sozioökonomischen Herkunft in einer offenen und diversifizierten Welt zu wahren.

MAGRID: ein inklusives pädagogisches Programm

5 Länder, 400 Schulen, 1.300 Lehrkräfte und 12.000 Studierende: Magrid ist heute auf internationaler Ebene bekannt und hat mehrere Preise gewonnen. Das 100% visuelle pädagogische Programm verbessert die Entwicklung der mathematischen, visuell-räumlichen und kognitiven Fähigkeiten kleiner Kinder im Alter von 3 bis 9 Jahren und infolgedessen ihre schulischen Leistungen. Es hilft den Lehrkräften und Eltern, den Unterricht effizienter und schneller zu gestalten. Tahereh Pazouki hat die Magrid Learning Solution am Inkubator der Universität Luxemburg während ihrer Promotion ins Leben gerufen. Zunächst ein Spin-off, heute ein Start-up!

Können Sie sich kurz vorstellen?

Ich bin 31 Jahre alt und stamme aus dem Iran, aber im Herzen bin ich auch Luxemburgerin. Ich kam 2012 nach Luxemburg, um mein Informatikstudium an der Universität Luxemburg abzuschließen. Anschließend habe ich in Psychologie promoviert. Das Ergebnis meiner Forschungsarbeit ist das Magrid-Programm, die Lernlösung, die allen Kindern auf der Welt Chancengleichheit bietet. Im September 2020 habe ich das Start-up gegründet.

Was hat Sie nach Luxemburg gebracht?

Ich suchte nach europäischen Universitäten, die gute Ergebnisse in Informatik erzielten. Die Profile der Dozenten in Luxemburg waren besonders, und die Immatrikulationskosten der Universität bezahlbar. Zwei Freunde wollten ebenfalls ein Studium in Europa beginnen, und wir hatten vor, zusammenzubleiben. Wir wurden alle drei von der Universität Luxemburg angenommen. Das war eine große Chance und eine tolle Erfahrung.

Wann hatten Sie die Idee für das Magrid-Programm?

Ausgangspunkte waren mein Informatikstudium und mein Interesse an Psychologie. Als ich meine Idee, in Psychologie zu promovieren, teilte, haben mir die Verantwortlichen der Abteilung verschiedene Projekte vorgestellt, an denen die Universität Luxemburg gerade arbeitete. Die Studie, die meine besondere Aufmerksamkeit weckte, war diejenige, in deren Rahmen versucht wurde, die Unterschiede in den Leistungen der Schüler in Luxemburg zu erklären und entsprechend Abhilfe zu schaffen. Eine der Erklärungen war die Mehrsprachigkeit im Bildungssystem und in der Gesellschaft. Der Ursprung meines Promotionsthemas war somit das Finden einer Lösung, um diese Sprachbarriere im Mathematikunterricht in der Früherziehung und Grundschule zu überwinden. Es war ebenfalls die allererste interdisziplinäre Zusammenarbeit (zwischen der Informatik- und Psychologieabteilung) mit hohem Potenzial für die Entwicklung des Programms und zukünftiger Projekte.

Was bedeutet der Name?

Der Name erinnert an die Blume "Magréitchen" auf Luxemburgisch (Margerite auf Deutsch). Die Bedeutung ist eher poetisch: wir säen den Samen für das Erblühen der Mathematik bei den Kleinen. Die wachsenden Blütenblätter verweisen auch auf die verschiedenen Blöcke des mathematischen Konzepts, die sich zusammenfügen, um am Ende ein Gesamtergebnis zu ergeben.

Wer hat Sie während der Entwicklung begleitet?

Neben der Psychologie- und Informatikabteilung der Universität Luxemburg begleiteten mich vor allem der SCRIPT (Abteilung für die Koordinierung der pädagogischen und technologischen Forschung und Innovation) und das Ministerium für Bildung, Kinder und Jugend im Rahmen der Testphase des Programms: das Programm in verschiedenen Schulen mit verschiedenen Gruppen von Kindern ausprobieren, Erzieher und Lehrkräfte schulen, Ergebnisse einholen, Auswertungen anstellen usw. Der Nationale Forschungsfonds hat das Projekt ebenfalls unterstützt.

Wie waren die Reaktionen der ersten Nutzer des Programms? Gibt es vielleicht eine besonders nette Anekdote?

Einmal, als die Testphase beendet war, haben mich die Lehrkräfte gebeten, das Material aufbewahren und die Ergebnisse der Schulung nutzen zu dürfen. Da ist mir bewusst geworden, dass Magrid mehr als ein Forschungsprojekt war, dass man daraus ein Programm machen musste und später vielleicht ein Unternehmen. Anschließend hat das Ministerium für Bildung die Lizenzen für die Anwendung erworben, und im März 2021 fiel der Startschuss für Magrid an allen öffentlichen Schulen in Luxemburg. Heute haben 12.000 Kinder das Programm bereits genutzt.

Nach der Veröffentlichung der wissenschaftlichen Ergebnisse war das Feedback ebenfalls äußerst positiv. Ich habe Anfragen von verschiedenen Ländern aus der ganzen Welt bekommen, wie beispielsweise aus Südafrika, den Vereinigten Staaten, Brasilien und aus der Türkei. Wir haben dementsprechend mit der Internationalisierung von Magrid begonnen, um sogar über die Grenzen des Großherzogtums hinausgehen zu können.

Was Magrid so einzigartig macht, ist die Tatsache, dass es von allen Kindern genutzt werden kann, einschließlich derjenigen mit besonderem Förderbedarf (Hörschwächen, Sprachstörungen usw.) In Portugal wird das Programm beispielsweise genutzt, um die kognitiven Fähigkeiten von Kindern mit Trisomie 21 auszubauen.

Magrid ist ein seriöses Übungsprogramm mit einem sehr klaren Aufgaben- und Entwicklungsplan.

Wie bewerten Sie das wissenschaftliche Ökosystem in Luxemburg?

Für die Gründung des Start-ups konnte ich auf die Unterstützung von Luxinnovation, der Handelskammer und des Ministeriums für Wirtschaft zählen. Mein Partner im Rahmen dieses Projekts befindet sich in den Vereinigten Staaten, und er ist sehr beeindruckt, dass so ein kleines Land eine so bedeutende Unterstützung leisten kann.

Was gefällt Ihnen persönlich in Luxemburg am meisten?

Das Land ist auch bei stetigem Wachstum sehr auf Exzellenz ausgerichtet. Das Entwicklungstempo ist sehr hoch, und alles wird ständig verbessert. Luxemburg ist sehr offen und äußerst gastfreundlich. Das Land ist heute meine Heimat.

Welche Projekte stehen zukünftig an? Werden Sie Ihre Forschungen im Bereich der Bildung von Kleinkindern weiterverfolgen?

Ich werde in Luxemburg bleiben und weiterhin in den Bereichen Bildung und Chancengleichheit arbeiten, wobei ich versuchen werde, immer hochqualitative Lernverfahren bereitzustellen. Wir sind auch dabei zu expandieren: Magrid wird zukünftig für andere Altersstufen mit an verschiedene Verständnisschwierigkeiten spezifisch angepassten Programmen und in einem größeren geografischen Umkreis verfügbar sein.

Wir danken Tahereh Pazouki für dieses Interview und möchten unsere Leser darauf hinweisen, dass einige Abschnitte des Interviews aus layouttechnischen Gründen gekürzt und angepasst wurden.

Wussten Sie schon?

Das Ministerium für Bildung, Kinder und Jugend hat gemeinsam mit anderen Partnern ebenfalls die personalisierte Lernplattform MathemaTIC entwickelt, die es Grundschülern und Schülern der Sekundarschulen ermöglicht, Mathematik mit Spaß zu lernen. Für weitere Informationen über das Programm und seine interaktiven mathematischen Module klicken Sie bitte hier.