Das Glockenspiel spielt für alle

Oben auf dem Turm der Kathedrale Notre-Dame kann man ein fabelhaftes Glockenspiel mit 37 Glocken entdecken. Dieses Musikinstrument, das die luxemburgische Hauptstadt dominiert, läutet das ganze Jahr über. Sein Repertoire besteht aus etwa 50 typisch luxemburgischen Musikstücken. 

Autoverkehr, Hupen, Sirenen, ohrenbetäubender Lärm von Baustellen: In all diesem Klangmagma gibt es die sanften Melodien des Glockenspiels der Kathedrale Notre-Dame, die sich ihren Weg durch die Alleen und Gassen der Hauptstadt bahnen. Die 37 Glocken, die dieses außergewöhnliche Musikinstrument bilden, läuten jeden Tag zwischen 7 und 22 Uhr und verzaubern die Straßen mit ihren beruhigenden Melodien. Um das Glockenspiel zu sehen, müssen Sie die Stufen der Kathedrale bis zu ihrem höchsten Turm hinaufsteigen. Hier, in 33 Metern Höhe, befindet sich dieses besondere Musikinstrument, das seinen einzigartigen Klang ausstrahlt. 

Wie funktioniert das Glockenspiel?

„Das Glockenspiel kann etwa 50 Melodien spielen“, erzählt Paul Breisch, der Organist der Kathedrale, der auch die Melodien des Glockenspiels aufnimmt. „Vor zehn Jahren habe ich monatelang Arrangements erstellt, was nicht ganz einfach ist, da man nicht alle Melodien eines Klaviers auf die eines Glockenspiels anwenden kann. Im Gegensatz zu einem Klavier erzeugt eine Glocke eine Wolke von Tönen, während ein Klavierton verschwindet, sobald man die Taste loslässt“, erklärt er.

Die größte der 37 Glocken, die das Glockenspiel bilden, wiegt 400 Kilogramm und hat einen Durchmesser von 90 Zentimetern. Sie ist die einzige, die eine Inschrift trägt (Incipit hora speranti preziosa - Für den, der hofft, beginnt eine kostbare Stunde (Abt Emmanuel Reichling)). Die kleinste Glocke wiegt 11 kg und hat einen Durchmesser von 20,5 cm.

Die Geschichte des Glockenspiels 

Der Klang des Glockenspiels ist Teil der Klanglandschaft der Stadt und sorgt für musikalische Unterhaltung der besonderen Art. Damit dieses Instrument noch lange unsere Ohren verzaubern kann, wird es einmal im Jahr von einer holländischen Firma gewartet. „Manchmal müssen ein paar Hämmer oder eine Feder ausgetauscht werden. Das Glockenspiel ist wie ein Auto“, sagt Paul Breisch.

In der Tat ist das Glockenspiel der Kathedrale nicht mehr das allerjüngste. Im Jahr 1635 bauten die Jesuiten ein Glockenspiel in den Westturm ein. Der Ostturm wurde erst 1935-38 fertiggestellt. Während dieser Zeit wurde die Kathedrale von der Glockengießerei Ungerer in Straßburg auf 37 Glocken vergrößert. Nach einem Brand des Turms im Jahr 1985 wurde das Glockenspiel in Holland von der Glockengießerei Petit&Fritsen neu gegossen. 

Es gibt noch ein Glockenspiel in Echternach, eines im kleinen Turm der Pescatore-Stiftung und mehrere kleinere, die über das ganze Land verstreut sind. 

Melodien, die den Rhythmus der Hauptstadt bestimmen

„Zu der Zeit, als ich noch nicht das Glockenspiel befehligte, wurden vor allem typisch luxemburgische Melodien im Wechsel gespielt“, erzählt Paul Breisch. Heute ist das Repertoire sehr vielfältig. Etwa 60 Arrangements für rund 50 verschiedene Melodien sind im System des Instruments gespeichert. Darunter befinden sich insbesondere populäre Melodien wie „De Feierwon“, „Ech sinn e Groussen Hexenmechter“, „Ech drénken gier mäin Pättchen“, „Un der Atert“, „Kättche, Kättche“ oder auch „Et wor ee Meedche vu Gëtzen“.

Die Melodien werden zu jeder vollen Stunde gespielt und richten sich nach der Jahreszeit. Im Winter erwärmen ihre Klänge die Herzen der Passanten auf den Bürgersteigen und begleiten die Händler auf den Weihnachtsmärkten mit den für diese festliche Zeit typischen Melodien durch den Tag. Die Klänge von „Léiwe Kleeschen“, „Kanner loost mer lëschteg sinn“, „Venez divin Messias“, „Il est né le divin enfant“, „Ave Maria“ und viele andere für Weihnachten typische Melodien gehören ebenfalls zum Repertoire.

Die Glocken erklingen aber auch zu anderen Anlässen im Laufe des Jahres, sei es zur Springprozession oder zu Pfingsten wie „T'si vill schéi Rousen an der Stad“, „D'Maargréitchen“ oder „T'ass Kiermes am Duerf“. Rund um die Feierlichkeiten zum Nationalfeiertag gibt das Glockenspiel dem Leben in der Hauptstadt mit den Melodien des „Wilhelmus“, „Léif Mamm“ oder sogar der Nationalhymne „Ons Heemecht“ den Rhythmus vor.    

Die Geschichte der Kathedrale

Die Kathedrale Notre-Dame liegt im Herzen des Stadtzentrums und ist ein normannisches Juwel der mittelalterlichen Architektur. Ursprünglich handelte es sich um eine Jesuitenkirche, deren Grundstein 1613 gelegt wurde. Das Kirchenschiff stammt aus dem 17. Jahrhundert, das Querschiff und der Chor mit der Krypta wurden ab 1935 hinzugefügt. Seit 1794 beherbergt die Kirche die wundertätige Statue der Consolatrice des Affligés (Trösterin der Betrübten), der Schutzpatronin des Landes und der Stadt Luxemburg. Im Jahr 1879 wurde sie von Papst Pius IX. zur Kathedrale erhoben.

Am 5. April 1985 war der Glockenturm der Kathedrale bei Renovierungsarbeiten in Brand geraten. Der Wiederaufbau war im Oktober 1985 abgeschlossen.