Drittorte und in kulturelle Industriebrachen in Luxemburg (II) Wenn aus ehemaligen Fabriken Orte der Begegnung und kulturellen (Re-)Produktion werden

Bei einer Industriebrache handelt es sich um ein Gelände, das nach der Einstellung der dort ausgeübten Tätigkeit nicht mehr genutzt wird. Durch die Sanierung dieser Standorte wird das Erbe sowohl für die Region als auch für die Bevölkerung aufgewertet. Heute werden Industriebrachen von den Gemeinden oft zu Orten umgestaltet, die für kreative Projekte genutzt werden und das Gemeinschaftsleben fördern sollen. Auf diese Weise wird die Kultur in der Region verankert und sie werden zu wichtigen Orten des sozialen und kulturellen Zusammenhalts. In diesem Artikel stellen wir Ihnen das Nationale Zentrum für Industriekultur vor, das sich für den Erhalt und die Aufwertung dieses Erbes einsetzt.

Industriekultur auf der Tagesordnung

2004 wurde ein erstes Konzept für ein nationales Zentrum für Industriekultur vorgelegt und 2009 ein entsprechender Gesetzesentwurf verabschiedet. Aufgrund der finanziellen Situation wurde die Umsetzung jedoch auf 2010 verschoben. 2017 wurde im Rahmen der Kandidatur der Südregion Minett für das Unesco-Programm "Man and the Biosphère" die Arbeitsgruppe "Eise'Stol" gegründet. Die Gruppe setzt ihre Aktivitäten auch über die Kandidatur hinaus fort und wird 2019 zum Verein ohne Gewinnzweck Industriekultur-CNCI. Nach der Aktualisierung des CNCI-Konzepts erfolgt die Unterzeichnung der Vereinbarung mit dem Ministerium für Kultur und die Umsetzung aber erst 2020.

Seitdem befasst sich der Verein ohne Gewinnzweck IK-CNCI (Industriekultur - Centre national de la culture industrielle) mit folgenden Aufgaben:

  • Aufbau eines Kooperationsnetzwerks von Akteuren, die sich für die Aufwertung des industriellen Erbes in Luxemburg einsetzen;
  • die Planung und Umgestaltung von Industriestandorten und -brachen sowie kreative Initiativen, die diesem Zweck dienen;
  • und die Sensibilisierung der Öffentlichkeit für dieses Erbe.

Das IK-CNCI hat sich zum Ziel gesetzt, ein Referenz- und Forschungszentrum für Industriekultur mit einem nationalen und internationalen Kooperationsnetzwerk zu werden. Im Rahmen seiner Aufgaben koordiniert und beteiligt sich das Team an verschiedenen Projekten wie zum Beispiel dem Podcast "Minett Mash-Up", der möglichen Aufwertung und Umnutzung der Gebléishal (Gebläsehalle) in Esch-Belval oder dem Erhalt und der Renovierung des ehemaligen Stahlwerks Metzeschmelz in Esch-Schifflange.

Außenansicht der alten Gebäude von Arbed Esch-Schifflange
© IK-CNCI
Beschilderung FerroForum und Außenansicht der alten Gebäude von Arbed Esch-Schifflange
© IK-CNCI

3 Fragen an Marlène Kreins, Vorsitzende von Industriekultur – CNCI

1) Welche Bedeutung haben Drittorte für die Sanierung oder Neunutzung ehemaliger Industrieanlagen?

Die derzeitigen Aktivitäten des Vereins Industriekultur-CNCI konzentrieren sich nicht nur auf den Erhalt historischer Industriegebäude, den sogenannten Drittorten, sondern auch auf die Entwicklung von Neunutzungskonzepten, um diese ehemaligen denkmalgeschützten Gebäude auf innovative und kreative Weise wieder zu nutzen. Die Kathedralen aus Eisen sind Zeugen der Geschichte der Stahlindustrie und Fabrikarbeit. Sie erzählen uns von Sozialkämpfen und gesellschaftlichen Umbrüchen, die eine ganze Gesellschaft veränderten. Sie veranschaulichen den wirtschaftlichen Wandel in einem ehemals ländlich geprägten Raum. Sie verdeutlichen die Veränderungen, die der Bergbau und die Stahlindustrie im "Minette-Becken" bewirkt haben. Sie erinnern uns an Sitten und Gebräuche, die bis heute unsere Lebensgewohnheiten prägen. Da Drittstandorte schon immer mit Leben gefüllt waren, ist es unsere Mission diese Orte durch entsprechende Umnutzung wiederzubeleben, damit sie nicht als Steinhaufen oder Denkmäler enden.  

Porträt der Präsidentin von IK-CNCI
© Marc Lazzarini
Da Drittorte schon immer mit Leben gefüllt waren, ist es unsere Mission diese Orte durch entsprechende Umnutzung weiderzubeleben, damit sie nicht als Steinhaufen oder Denkmäler enden. ...  Wir bemühen uns um die Organisation von Aktionen zur Sensibilisierung der Öffentlichkeit für die Werte des industriellen Erbes, durch pädagogische Maßnahmen und die Veranstaltung von Konferenzen.

2. An welchen Projekten ist der Verein derzeit beteiligt?

Das CNCI engagiert sich derzeit für die Schaffung und Ausbau eines Netzwerks von Museumsinstitutionen, die sich für die Aufwertung des industriellen Erbes in Luxemburg einsetzen. Das Netzwerk umfasst derzeit 17 Partner, mit dem Ziel, ein nationales Zentrum für Industriekultur zu gründen.

Das CNCI entwickelt Umnutzungskonzepte. In diesem Zusammenhang arbeitet es an mehreren Projekten und begleitet verschiedene Initiativen in Zusammenarbeit mit den zuständigen Akteuren und Institutionen (Gebläsehalle in Esch-Belval, Metzeschmelz in Esch-Schifflange, Dommeldange, Roud Lëns in Esch, Cheminées (Schornsteine) auf dem Gelände Belval, usw.). Wir bemühen uns um die Organisation von Aktionen zur Sensibilisierung der Öffentlichkeit für die Werte des industriellen Erbes durch pädagogische Maßnahmen und die Veranstaltung von Konferenzen.

Innenansicht der Umkleide- und Waggonagehalle in Dudelange
© IK-CNCI
Außenansicht der Arbed-Hochöfen in Esch-Belval
© IK-CNCI

Welches ist Ihr Favorit unter den neu genutzten Industriegeländen?

Es ist schwierig, nur einen zu nennen. Aber das VEWA in Düdelingen und das FerroForum in Esch-Schifflange sind für mich sehr gute Beispiele für eine gelungene Umnutzung durch Bürgerbeteiligung. Sie zeigen, dass Utopien möglich sind.

In einem zweiten Artikel stellen wir Ihnen Beispiele für Drittorte in Luxemburg vor.