Wenn das Glockenspiel der Kathedrale "Ons Heemecht" läutet Das weltweit größte Glockenspiel (<i>Carillon</i>) mit 120 Glocken befindet sich im Kloster von Mafra in Portugal

Straßenverkehr, Hupen, Sirenen, ohrenbetäubender Baustellenlärm:  in diesem ganzen akustischen Durcheinander dringen die sanften Melodien des Glockenspiels der Kathedrale Notre-Dame bis in die großen Straßen und kleinen Gassen der Hauptstadt. Die 37 Glocken, aus denen sich dieses außergewöhnliche Musikinstrument zusammensetzt, läuten jeden Tag von 7 bis 22 Uhr und verzaubern die Menschen in den Straßen mit ihren wohltuenden Klängen. Um das Glockenspiel zu sehen, müssen die Stufen der Kathedrale bis in ihren höchsten Turm erklommen werden. Hier in 33 Metern Höhe befindet sich dieses so besondere Musikinstrument, von dem einzigartige Klänge ausgehen. 

Wie funktioniert das Glockenspiel?

"Das Glockenspiel kann etwa fünfzig Melodien spielen", erzählt Paul Breisch, Organist der Kathedrale, der auch die Melodien des Glockenspiels aufnimmt.  "Vor zehn Jahren verbrachte ich Monate damit, Arrangements zu schreiben, eine durchaus knifflige Aufgabe, da man nicht alle Melodien eines Klaviers auf die eines Glockenspiels anwenden kann. Im Gegensatz zu einem Klavier geht von einer Glocke eine Klangwolke aus, während ein Klavierton verschwindet, sobald man die Taste loslässt", erläutert er.

Vor einigen Jahrzehnten wurde das Glockenspiel durch eine Orgel mit einer Lochkarte gesteuert. "Heute findet man sich vor einem Glockenklavier wieder, das mit einer kleinen elektronischen Klaviatur bedient wird. Jede Taste ist mit einem Klöppel verbunden, der sich im Innern der Glocke befindet und in Bewegung versetzt wird, wenn die Taste gedrückt wird. 

Die größte der 37 Glocken, die das Glockenspiel bilden, wiegt 400 Kilogramm und hat einen Durchmesser von 90 Zentimetern. Sie ist die einzige, die eine Inschrift trägt (Incipit hora speranti preziosa - für den Hoffenden beginnt eine wertvolle Stunde (Abt Emmanuel Reichling)). Die kleinste Glocke wiegt 11 Kilogramm und hat einen Durchmesser von 20,5 cm.

Melodien, die den Rhythmus der Hauptstadt bestimmen

"Damals, als ich das Glockenspiel noch nicht bediente, wurden insbesondere typisch luxemburgische Melodien abwechselnd gespielt", erzählt Paul Breisch. Heute ist das Repertoire äußerst abwechslungsreich. Etwa 60 Arrangements für fünfzig verschiedene Melodien sind im System des Instruments gespeichert. Es sind unter anderem Klassiker wie "De Feierwon", "Ech sinn e Groussen Hexemeeschter", "Ech drénken gier mäin Pättchen", "Un der Atert", "Kättche, Kättche" oder "Et wor ee Meedche vu Gëtzen" zu finden.

Je nach Jahreszeit werden die Melodien zu jeder vollen Stunde gespielt. Im Winter wärmen seine Musikstücke die Herzen der Passanten auf den Bürgersteigen und begleiten die Händler auf den Weihnachtsmärkten den ganzen Tag lang mit für diese festliche Zeit typischen Melodien. Die Klänge von "Léiwe Kleeschen", "Kanner loost mer lëschteg sinn", "Venez divin Messie", "Il est né le divin enfant", "Ave Maria" und viele andere typische Weihnachtsmelodien gehören ebenfalls zum Repertoire.

Die Glocken lassen allerdings auch zu anderen Anlässen während des Jahres, sei es anlässlich der Springprozession oder zu Pfingsten, Melodien wie "T'si vill schéi Rousen an der Stad", "D'Maargréitchen" oder "T'ass Kiermes am Duerf" erklingen. Rund um die Feierlichkeiten zum Nationalfeiertag bestimmt das Glockenspiel den Rhythmus des Lebens in der Hauptstadt mit dem "Wilhelmus", "Léif Mamm" oder sogar der Nationalhymne "Ons Heemecht".    

Das erste Glockenspiel geht auf das Jahr 1652 zurück.

Der Klang des Glockenspiels gehört zur akustischen Landschaft der Stadt und bietet eine musikalische Unterhaltung ganz besonderer Art. Damit dieses Instrument unsere Ohren noch für lange Zeit weiterhin erfreuen kann, stellt ein holländisches Unternehmen seine Wartung einmal pro Jahr sicher. "Manchmal müssen einige Hämmer oder eine Feder ausgetauscht werden. Das Glockenspiel ist wie ein Auto", so Paul Breisch.

Die oft mehrere Jahrhunderte alten Glockenspiele stammen aus Frankreich, Belgien und den Niederlanden. Das erste Instrument dieser Art ist im späten Mittelalter entstanden. Heute gibt es weltweit über 600 dieser Instrumente laut einer Liste der World Carillon Federation (WCF), die auch verlangt, dass ein Glockenspiel über mindestens 23 Glocken verfügen muss, um als "Carillon" bezeichnet werden zu dürfen. Allgemein besitzt das Instrument eine große Anzahl bronzener Glocken, von denen einige bis zu zwei Tonnen auf die Waage bringen.

Das weltweit größte Glockenspiel (Carillon) mit 120 Glocken befindet sich im Kloster von Mafra in Portugal Die Niederlande mit 189 Instrumenten gelten als Land, das die meisten Klaviaturglockenspiele mit mindestens 23 Glocken besitzt.

Geschichte der Kathedrale

Mitten im Herzen des Stadtzentrums gelegen, ist die Kathedrale Notre-Dame ein normannisches Juwel der mittelalterlichen Architektur. Ursprünglich handelte es sich um eine Jesuitenkirche, deren Grundstein 1613 gelegt wurde. Das zur rue Notre-Dame gelegene Kirchenschiff stammt aus dem 17. Jahrhundert, das Querschiff und der Chor mit der Krypta wurden ab 1935 hinzugefügt. Seit 1794 beherbergt sie das Gnadenbild der Trösterin der Betrübten, der Patronin des Landes und der Stadt Luxemburg. 1879 erhob Papst Pius IX. sie zur Kathedrale.

Am 5. April 1985 hatte der Kirchturm der Kathedrale im Rahmen der Renovierungsarbeiten Feuer gefangen. Das Glockenspiel und die große Muttergottesglocke sowie die Glocken St. Willibord, St. Peter und St. Kunigunde wurden buchstäblich von den Flammen verschlungen. Die Wiederaufbauarbeiten wurden im Oktober 1985 abgeschlossen.

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