Minett Trail: Unterkünfte am Wegesrand Der 70 Kilometer lange Minett Trail schlängelt sich durch den Süden Luxemburgs
Esch2022 stellt die Kultur ins Rampenlicht, aber nicht nur. Mit dem Programm der Europäischen Kulturhauptstadt Esch wird auch die Architektur gefördert. Vor diesem Hintergrund wurde die Idee des Minett Trails geboren, ein Wanderweg, der bedeutende Orte der Region im Süden verbindet. Das i-Tüpfelchen auf diesem Wanderweg sind jedoch die 11 ausgefallenen Unterkünfte, die entlang des Weges errichtet wurden und die Industriegeschichte dokumentieren.
11 Gemeinden - 11 Unterkünfte
Es geht nichts darüber hinaus, die Schönheiten oder das lokale Erbe einer Region zu entdecken. Der Minett Trail verläuft durch ein fündiges Gebiet, in dem ehemalige Industriezonen und Naturschutzgebiete der Region aufeinandertreffen. Der 70 Kilometer lange Weg schlängelt sich durch 11 Gemeinden im Süden Luxemburgs, die Teil des Projekts Esch - Europäische Kulturhauptstadt 2022 sind.
Was diesen Wanderweg jedoch noch einzigartig macht, sind die 11 Unterkünfte, die jeweils in einer dieser Gemeinden, durch die der Weg führt, errichtet wurden. Diese originellen Strukturen bestechen zuweilen durch ihre Materialien, ihre Größe oder ihren Standort. Beispielsweise sind eine schwimmende Unterkunft auf einem Wasserbecken in der Nähe des Wasserturms in Düdelingen, mobile Pop-up-Unterkünfte in Esch an der Alzette, eine Einrichtung inmitten eines ehemaligen Minenbeckens in Schifflingen oder ein alter Reisezugwaggon im Fonds-de-Gras in Petingen zu finden.
Der Weg entlang dieser Unterkünfte ermöglicht es Besuchern, die Region im Süden auf außergewöhnliche und urwüchsige Art und Weise zu erkunden. Er verbindet mehrere Tagebaugruben wie den "Prënzebierg – Giele Botter", den Fond-de-Gras und das Naturschutzgebiet "Haard-Hesselsbierg-Staebierg" in Düdelingen, aber auch das neue Stadtviertel Belval, mehrere Innenstädte, Waldlandschaften und weitere Orte, die von der Industriegeschichte zeugen.
Die Wahl der Standorte für diese Unterkünfte war ein Prozess, der nahezu zwei Jahre dauerte. Das Projekt ist auch Teil einer Initiative zur nachhaltigen Entwicklung. Im Rahmen dieses Dialogs zwischen Unterbringung und touristischer Erkundung mussten diese Unterkünfte nach ökologischen Kriterien errichtet werden. Sie mussten entweder in bestehenden Strukturen Platz finden oder neu gebaut werden.
Der Minett Trail, der die Geschichte des Lands der Roten Erde und insbesondere dessen industrielle Vergangenheit dokumentiert, ging aus einem im Rahmen von Esch2022 und des Projekts "Minette Unesco Biosphère" vom Verband Pro-Sud und der Kammer für Architekten und Ingenieure (OAI) ausgeschriebenen Wettbewerb hervor.
Wählen Sie Ihre Unterkunft
Die 11 Unterkünfte, die das Werk von 11 verschiedenen Architekturbüros sind, befinden sich entlang des Minett Trails, der durch die Gemeinden des Verbands Pro-Sud verläuft. Eine Unterkunft entlang des Minett Trails zu finden, ermöglicht das Verweilen inmitten dieser grandiosen Natur.
Ein in Wohnraum umgebauter Waggon
Wenn Sie schon immer Lust hatten, wie ein echter Abenteurer eine Nacht in einem Zug zu verbringen, kommen Sie an Bord dieses ehemaligen Reisezugwaggons aus dem Jahr 1939, der den Namen seines Herstellers, Lilpop, trägt, und genießen Sie dieses einzigartige Erlebnis. Dieser von der ARBED (1911 gegründeter luxemburgischer Eisen- und Stahlkonzern, heute ArcelorMittal, Anm. d. Red.) in einen Kino-Waggon, der als Raum für Vorführungen und Schulungen für Arbeiter aus der damaligen Industrie diente, umgewandelte Waggon ist heute eine touristische Unterkunft.
Eingebettet in einer grünen Oase , die perfekt zu seiner ruhigen Umgebung passt, und geschützt am unumgänglichen Minett Trail im Fonds-de-Gras gelegen, wird dieser historische Waggon vollständig von der Architektin Lis Teisen umgestaltet, deren Büro Teisen-Giesler im Rahmen eines von der OAI (Kammer für Architekten und beratende Ingenieure) und dem Verband Pro-Sud organisierten Wettbewerbs ausgewählt wurde, um einen alten Waggon aus den 40er Jahren, der sich auf den Gleisen im Fonds-de-Gras befindet, in eine Unterkunft für Wanderer umzuwandeln.
Das Gehäuse des zukünftigen Wohn-Waggons bleibt metallisch, erläutert die Architektin, während im Innern Holzelemente vom Fußboden bis zur Decke dominieren werden, ein natürliches Material, für das die Architektin zugegebenermaßen ein großes Faible hat. Im Hauptraum namens "Convivialité" befindet sich ein großer Tisch, an dem sich alle zum Essen versammeln, diskutieren und sich unterhalten können, sowie eine Sitzgruppe mit Ablagen, Tisch und Sofas. Dieser Teil, der buchstäblich das Herzstück des Waggons ist, verfügt insgesamt über 20 Quadratmeter, einschließlich Kochnische.
Im angrenzenden Raum befindet sich ein Badezimmer mit Waschbecken und separater Toilette mit Sanitäranlage. Im Abteil namens "Repos" werden die Gäste laut Plan der Architektin drei Zimmer mit zwei Stockbetten, einschließlich Schubladen für Gepäckstücke unter den Betten, vorfinden. In diesem antiquierten Ambiente, in dem die Architektin darauf achtete, den ganzen Charme des Waggons mit einem Innenraum, der Tradition und Moderne kombiniert, zu erhalten, werden zwei Bereiche an den jeweiligen Außenseiten bei den Besuchern zweifelsfrei für Begeisterungsstürme sorgen: eine Sauna mit Blick auf den bewaldeten Hang sowie eine Pergola, die als geschützte Terrasse dient, machen aus dieser Unterkunft einen echten Ort zum Entspannen nach einer langen Wanderung im Land der Roten Erde.
"Ein atypisches Projekt stellt für einen Architekten eine große Herausforderung dar"
Interview mit Lisi Teisen, Architektin der Unterkunft im Fonds-de-Gras in Petingen.
Die Architektin Lisi Teisen ist kein Neuling, was die kreative Unterstützung im Rahmen der Umsetzung eines Kulturjahres anbelangt. Anlässlich des Kulturjahres 2007 wurde die innenarchitektonische Umgestaltung einer der Rotondes zum Headquarter dem Büro Teisen-Giesler Architectes anvertraut. Sie kann es kaum erwarten, demnächst diesen ehemaligen Waggon zu sehen, den sie mit der bildenden Künstlerin Justine Blau in eine Unterkunft für Touristen umgestalten wird.
1. Wie kamen Sie auf die Idee, an diesem Wettbewerb teilzunehmen?
Die OAI (Kammer für Architekten und beratende Ingenieure) kam mit einer Ausschreibung auf alle Architekturbüros, die Mitglieder der Kammer sind, zu. Der Wettbewerb begann Anfang November 2019. Es ging also darum, ungewöhnliche architektonische Unterkünfte in jeder der 11 Pro-Sud-Verbandsgemeinden vorzuschlagen und die Geschichte der Minett-Region zu erzählen. Insgesamt haben sich 91 Architekten auf die Ausschreibung gemeldet. Am Ende wurde ein Gewinner pro Projekt zurückbehalten. Wir hatten das Glück, dass uns der Standort des Fonds-de-Gras in Petingen zugeteilt wurde, wo wir derzeit einen ehemaligen Reisezugwaggon aus den 40er Jahren in eine touristische Unterkunft umgestalten.
2. Worin liegen die Besonderheiten Ihres Projekts?
Atypische Projekte stellen für einen Architekten stets eine große Herausforderung dar. In diesem Fall hier war die Herausforderung noch größer, da uns ein zeitlicher und finanzieller Rahmen vorgegeben wurde, ganz zu schweigen von der Anforderung, 6 Schlafplätze in diesem doch sehr begrenzten Raum unterzubringen. Die Aufgabe war von Anfang an nicht einfach, da es nicht üblich ist, einen Waggon so umzubauen, dass er für Touristen nutzbar und gemütlich ist. Eine Sache ist ganz klar: Es handelt sich um kein gewöhnliches Bauprojekt, vor allem, wenn man das Metallgehäuse des Wagens zerlegen möchte. Ich bin aber sicher, dass das Endergebnis großartig und gewiss eine Bereicherung für die luxemburgische Kultur und den lokalen Tourismus sein wird.
3. Was erwarten Sie ganz allgemein von Esch2022?
Wir freuen uns sehr über die Teilnahme an Esch2022, da dieses Projekt seinen Besuchern ermöglicht, das Land der Roten Erde ebenso wie die Naturvielfalt entlang des Wegs zu entdecken. Der Umbau von Industriestandorten und die Reaktivierung ehemaliger Lagerhallen für kulturelle Zwecke sind die sichtbarsten Phänomene und gesellschaftliche Antriebskräfte. Es ist jedoch auch wichtig zu erwähnen, dass sich das Projekt Esch2022 an den Normalbürger richtet. Es handelt sich um Alltagskultur, die den Besuchern zugänglich gemacht wird. Der REMIX aller Kulturformen bietet für jeden etwas. Esch2022 ermöglicht zudem eine Würdigung des Südens des Landes und eine Bereicherung der Kulturlandschaft der Region.
"Atypische Projekte stellen für einen Architekten stets eine große Herausforderung dar."
Lisi Teisen, Architekt
4. Was bedeutet das Kulturjahr Esch2022 für Sie?
Jedes Kulturjahr hat seine eigenen Werte, seine eigene Daseinsberechtigung. Ein Kulturjahr ist stets eine Bereicherung für die Menschen und für die Region. Ein Kulturjahr darf jedoch nur ein erster Impuls sein, d. h. eine Grundlage für die Folgejahre. Nehmen wir beispielsweise die 11 Unterkünfte, die wir gerade fertigstellen. Ein Jahr lang dürfen diese Strukturen nur der Ursprung dessen sein, was einmal ein nachhaltiges und integratives Projekt werden soll. Zuvor, anlässlich anderer Kulturjahre, waren die Projekte häufig schnell wieder vom Tisch. Heute müssen die Städte und Dörfer unterstützt und zusammengebracht werden, damit das Projekt auch nach 2023 noch Bestand hat.
5. Ist das Konzept des Europäischen Kulturjahres heute immer noch von Bedeutung? Ist ein solches Event die richtige Art und Weise, um Kultur zu vermitteln?
Wir müssen davon abkommen, die Menschen mit groß angelegten Projekten blenden zu wollen. Ich denke beispielsweise an die Organisation von Kulturevents wie die Megakonzerte von Pavarotti oder den Rolling Stones, als ich jung war. Im Grunde genommen müsste eher die kreative, partizipative und gemeinschaftliche Seite gestärkt werden. Man muss den Dingen vielmehr auf den Grund gehen, dafür sorgen, dass die Menschen eher von der Umsetzung von Strukturen und Netzwerken profitieren können, und sich natürlich erst auf lokaler und regionaler Ebene ausdehnen, bevor Gespräche auf internationaler Ebene fortgeführt werden.
Das Architekturbüro Teisen-Giesler wurde 2003 gegründet und ist im öffentlichen (Schulen, Büros, Städtebau, Veranstaltungssäle, Gemeingut) sowie im privaten Bereich (neue Mehr- oder Einfamilienhäuser, Passivhäuser, Renovierungen, Innenarchitektur) tätig. Es besteht aus einem jungen Team multinationaler Architekten und beschäftigt derzeit 11 Personen.
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