Luxemburg und die Kultur im Wandel der Zeit Im Jahr 2007 war Luxemburg zum zweiten Mal Kulturhauptstadt Europas.
Jedes Jahr tragen eine oder mehrere Städte den Titel "Kulturhauptstadt Europas". 1995 wurde die Hauptstadt des Großherzogtums erstmals von der Europäischen Union mit diesem Titel, der damals noch "Kulturstadt Europas" lautete, beehrt. Zwölf Jahre später war es ein zweites Mal soweit, als im Jahr 2007 das Großherzogtum gemeinsam mit seinen Nachbarregionen seinen kulturellen Reichtum unter Beweis stellte.
Die Verbindung des Großherzogtums mit dem Konzept der Europäischen Kulturhauptstadt reicht lange zurück, denn diese Initiative erblickte in Luxemburg das Licht der Welt. Die Idee der "Kulturstadt Europas" entstand unter dem Impuls der griechischen Ministerin Melina Mercouri und des französischen Ministers Jack Lang anlässlich einer Sitzung des Ministerrats der EU am 13. Juni 1985 in Luxemburg. Die Stadt Athen wurde im gleichen Jahr zur ersten Kulturstadt Europas ernannt.
Aufgrund des länderübergreifenden Programms hat der Titel "Kulturhauptstadt Europas" insofern eine Hebelwirkung, als der kulturelle Austausch zwischen den einzelnen Ländern bzw. ihren Einwohnern gefördert wird. Die Europäische Kommission weist darauf hin, dass der Titel den kulturellen Reichtum und die kulturelle Vielfalt in Europa in den Vordergrund stellt. In der Praxis bestimmen Konzerte, Ausstellungen, Festivals, Projekte in den Bereichen Literatur und Theater bis hin zur Wissenschaft das ganze Jahr über das kulturelle Leben der Titelträgerstadt.
1995: das Kulturfest beginnt
1995 war die Stadt Luxemburg zum ersten Mal Kulturstadt Europas. Die 12 Monate dieses Jahres sollten demnach reich an Entdeckungen und unzähligen Aktivitäten aus sämtlichen Bereichen sein. Die offizielle Eröffnung bot während drei Tagen, vom 13. bis zum 15. Januar 1995, einen Vorgeschmack auf das, was da noch kommen sollte.
Ein Jahr nach dem Ende dieser außergewöhnlichen Veranstaltung war die Bilanz phänomenal. Das Event war ein wahnsinniger Publikumserfolg mit beeindruckenden Zahlen: mehr als 1,2 Mio. Besucher wurden bei den rund 600 Veranstaltungen im Rahmen von "Luxemburg, Kulturstadt Europas" gezählt. Allein die erste Ausstellung "Luxe, calme et volupté", die im Casino Luxembourg stattfand, zog 61.969 Besucher an. Auch andere Events wie Megabugs in der Victor Hugo-Halle in Limpertsberg (41.290 Besucher) und die Dauerausstellung The Family of Man im Schloss von Clerf (28.320 verkaufte Eintrittskarten im Kulturjahr) waren Riesenerfolge.
Megabugs - Die faszinierende Welt der Insekten
Eines der Ziele der Ausstellung Megabugs, die vom 22. September bis zum 26. November in der Victor Hugo-Halle in Limpertsberg stattfand, war es zu zeigen, dass Insekten mehr als nur stechende und krabbelnde Kreaturen sind. 41.000 Besucher konnten bei dieser Naturausstellung, die Insekten in Form von beweglichen Riesenmodellen zeigte, gezählt werden.
Highlights unter freiem Himmel
Die höchsten Besucherzahlen konnten die Open Air-Events im Sommer verzeichnen. Am Nationalfeiertag strömten 100.000 Personen in die Straßen der Hauptstadt. José Carreras, einer der größten Tenöre unserer Zeit, sang am 28. Juni im Josy Barthel-Stadium vor 15.000 Personen.
Das Mega-Konzert der Voodoo Lounge Tour der Rolling Stones, das am Sonntag, den 27. August 1995, einen Sturm der Begeisterung im Kirchberg-Viertel auslöste, brach jedoch alle Rekorde. 60.000 begeisterte Fans feierten Mick Jagger & Co zweieinhalb Stunden lang bei einer nie dagewesenen Show. Bereits sechs Stunden vor Konzertbeginn drückten sich Tausende Besucher vor dem Eingang zum Gelände, um einen Platz in der ersten Reihe zu ergattern. Dieses Spektakel für Augen und Ohren schlug aber auch eine Bresche für alle künftigen kulturellen Großereignisse im Großherzogtum.
Ebenfalls 1995 erblickte das allseits bekannte Festival Live at Vauban das Licht der Welt. Dieses Event der jungen und vielfältigen Klänge bot nationalen und internationalen Rockbands auf dem "Knuedler" und in der "Zeltstad" eine Bühne. Besucher jeden Alters kamen, um Headliner, weniger bekannte Künstler sowie Stars wie Charlélie Couture, Paul Young, Angelo Branduardi oder Konstantin Wecker zu sehen.
Revolution der Nanas
Wer erinnert sich nicht an die Ausstellung unter freiem Himmel von Niki de Saint Phalle und ihren "Nanas", die an wohl ausgewählten Orten quer durch die Hauptstadt auftauchten? Vom 30. Mai bis zum 15. September 1995 waren die farbenfrohen Frauenskulpturen einer der visuellen Highlights des Kulturjahres. Mit ihrem 1992 kreierten Werk "La Grande Tempérance" wollte die franko-amerikanische Künstlerin gegen eine von Männern dominierte Welt rebellieren. Am Ende der Ausstellung beschloss die Stadt Luxemburg eines der Werke, nämlich die blaue Dame mit den Flügeln und dem bunten Einteiler, die für die Tugend der Mäßigung steht, zu erwerben. 16 Jahre lang stand sie am Hamilius-Platz gegenüber dem ehemaligen Postgebäude. Derzeit befindet sie sich im Park der Villa Vauban.
Die "Nanas" und ihre üppigen Formen waren aber nicht immer unumstritten. Während der Oktav im Jahr 1995 kam es sogar zu einem Skandal bei der Prozession. Auf Bitte der kirchlichen Obrigkeiten wurde "Clarice" vorsorglich unter einer Abdeckung versteckt, um die Pilger während der Schlussprozession nicht zu verstören.
Drei Fragen an Claude Frisoni, Koordinator von Luxemburg – Kulturstadt Europas 1995
1. Was haben Sie von dem Event Luxemburg – Kulturstadt Europas 1995 zurückbehalten? Gibt es ein Highlight, an das Sie sich erinnern?
Es ist schwer, diese zwölf Monate mit ihren Hunderten außergewöhnlichen Veranstaltungen, gemeinsamen emotionalen Momenten, unbeschreiblichen Entdeckungen und intensiven Glücksgefühlen in ein paar Worten zusammenzufassen. Wenn ich nur eine Veranstaltung nennen müsste, wäre es die allerletzte. Am Tag nach der offiziellen Schlusszeremonie, bei der Großherzogin Joséphine-Charlotte, die ausländischen Partner, die Minister und die Abgeordneten einer brillanten Aufführung von Gustav Mahlers 8. Symphonie beiwohnten, fand eine weitere Schlussfeier für die breite Öffentlichkeit auf dem Place Guillaume statt. Bei Regen und Kälte waren eine Handvoll Verpflegungsstände und eine Bühne aufgestellt worden. Trotz der kalten Temperaturen erschienen zahlreiche Besucher, um Les Tambours du Bronx bei einer von einem der damaligen Sponsoren angebotenen warmen Suppe zu hören. Und während die Künstler auf ihre Fässer und Kanister schlugen, war ich überrascht, als ich in der Menge inkognito die Großherzogin in einem dicken roten Anorak erblickte, die eine ihr wohl eher unbekannte künstlerische Darbietung genoss!
Die wichtigste Errungenschaft dieses unglaublichen Jahres 1995 war zweifelsohne die Steigerung der "Glaubwürdigkeit" der Kultur in Luxemburg.
Claude Frisoni, Koordinator von Luxemburg – Kulturstadt Europas 1995
2. 1995 war Luxemburg zum ersten Mal "Kulturhauptstadt Europas". Welche Herausforderung(en) barg die Organisation dieses Events insbesondere?
Wenn auch in der Erinnerung vieler Beteiligter die größte Schwierigkeit in der kurzen Zeit (knapp sieben Monate) lag, die dem neuen Koordinator und seinem kleinen Team zur Verfügung stand, um ein Programm auf die Beine zu stellen, Sponsoren zu finden, ein Budget aufzustellen, die groben Züge der Kommunikationskampagne festzulegen und die Logistik zu organisieren, so war die wahre Herausforderung doch eine andere. Indem allen Beteiligten (Politiker, Kulturschaffende, Wirtschaftsvertreter, Künstler) deutlich gemacht wurde, dass keine Zeit mehr zu verlieren war, wurde dieser zeitliche Nachteil fast zu einem Vorteil, da alle die Dringlichkeit erkannten und mitspielten.
Dahingegen war es nicht einfach, das kulturelle Schaffen glaubwürdig zu gestalten, Vertrauen für dieses Abenteuer zu gewinnen und Respekt für die Kulturschaffenden und Künstler zu fordern. Es ging darum, der gesamten und vielfältigen öffentlichen Meinung klar zu machen, dass Kultur eine Chance für das Land, ein Faktor für sozialen Zusammenhalt, ein bewährtes Mittel für Nation Branding und eine Möglichkeit, sich international Respekt zu verschaffen, ist. Kurz gesagt, die Kultur musste als zentrales Element der gesellschaftlichen Entwicklung des Landes und als nicht zu vernachlässigendes Element seiner wirtschaftlichen Entwicklung akzeptiert werden. Der Kultursektor musste glaubwürdig gestaltet, professionalisiert, durchgesetzt und abgesichert werden. Das war die größte Herausforderung und wurde schließlich zur größten Genugtuung! Für viele war nach 1995 nichts mehr wie vorher!
3. Welche Auswirkungen hatte Ihnen zufolge diese erste Ausgabe der Kulturhauptstadt Europas auf die Wahrnehmung der Kultur in Luxemburg?
Die wichtigste Errungenschaft dieses unglaublichen Jahres 1995 war zweifelsohne die Steigerung der Glaubwürdigkeit der Kultur in Luxemburg. Und ihrer Macher, Veranstalter oder Gehilfen. Dass das Jahr trotz der Zeitnot, die für das Team bestand, trotz der mangelnden Infrastruktur (kein Konzertsaal, der dieser Bezeichnung würdig war, keine Rockhalle, kein der zeitgenössischen Kunst gewidmeter Ort, keine Erfahrung mit großen Open Air-Events usw.) unter guten Bedingungen verlief, dass der Selbstfinanzierungssatz über 30% lag, dass das Budget eingehalten wurde und dass sogar Geld in der Kasse übrig blieb, dass kein Skandal die Organisation überschattet hat, dass die Akzeptanz des Publikums, der Künstler und selbst der Wirtschaftsakteure die Erwartungen überstieg und dass der Ruf der Stadt und des Landes im Ausland aufgewertet wurde - all das hat die Veranstalter mit großer Genugtuung erfüllt.
1995 hat dazu geführt, dass sich die Vorstellung durchgesetzt hat, dass ein Künstler oder ein Kulturschaffender genau so professionell und kompetent in seinem Fachbereich und genau so angesehen sein kann, wie jeder Angehörige eines Berufs in einer anderen Branche. Der Erfolg der Veranstaltung hat den zuständigen Behörden auch ermöglicht, eine breite Palette von kulturellen Einrichtungen im ganzen Land zu schaffen (Sanierung von Neumünster, Philharmonie, Rockhal, Musée Grand-Duc Jean, regionale Kulturzentren usw.). Die hierfür aufgebrachten Budgets schienen keine ungerechtfertigten Ausgaben mehr zu sein.
Kurz gesagt - die Kulturstadt Europas 1995 hat dazu beigetragen, dass die Kultur einen Platz inmitten des Vorhabens zur Entwicklung des Landes fand, als Faktor des sozialen Zusammenhalts, Instrument des Zusammenlebens, Faktor der wirtschaftlichen Entwicklung und Trumpfkarte des Nation Branding. Das ist eine Menge und erklärt zweifelsohne den Willen, dies bei kommenden Ausgaben fortzuführen.
2007: das Kulturfest geht weiter
12 Jahre später, im Jahr 2007, rüstete sich die Stadt Luxemburg erneut, um die Herausforderung anzunehmen und ein zweites Mal Kulturhauptstadt Europas zu werden. Unter dem Namen "Luxemburg und Großregion, Kulturhauptstadt Europas 2007" eröffnete das Großherzogtum am 9. Dezember 2006 offiziell seinen kulturellen Big Bang mit einem nächtlichen Volksfest und läutete mit einem Feuerwerk zu den Klängen des Philharmonischen Orchesters die Feierlichkeiten ein.
Das Kulturjahr, das mit dem ersten Auftritt des blauen Hirschen, dem offiziellen Logo des Events, begann, vereinte fünf Regionen aus vier verschiedenen Ländern, die alle zum Ziel hatten, ein breites Spektrum an Zuschauern und neue Zielgruppen zu erreichen. Der Koordinator und die politischen Verantwortlichen wurden nicht enttäuscht, denn die Ausgabe von 2007 brachte ein neues vielfältigeres, jüngeres und kulturhungriges Publikum hervor.
Angesichts eines zunehmenden Interesses der Öffentlichkeit für alle Formen der Kultur und im Sog des Erfolgs der Ausgabe von 1995 wurde sich das Großherzogtum bewusst, dass es ihm an kulturellen Einrichtungen mangelte. So wurde beschlossen, dieser Situation Abhilfe zu schaffen und in erheblichem Umfang in neue Aufführungsstätten zu investieren.
Eine beeindruckende Entwicklung
Die kulturelle Landschaft, die 1995 noch eher wüstenartig anmutete, erlebte in den 12 Jahren zwischen den beiden Kulturjahren einen beträchtlichen Wandel. Mit einem stetig wachsenden Kulturhaushalt und einem Budget von Hunderten von Millionen für neue Kulturstätten war die Stadt Luxemburg nun einer Kulturhauptstadt Europas würdig. Zwischen 1995 und 2007 hatte sich die Zahl der Einrichtungen verdreifacht.
Die Philharmonie, der von Christian de Portzamparc errichtete prunkvolle Konzertsaal, das vom Architekten I. M. Pei entworfene Museum für Moderne Kunst Grand-Duc Jean und das Centre de musiques amplifiées Rockhal nahmen den Betrieb auf. Dazu gesellten sich das Festungsmuseum, das Nationale audiovisuelle Zentrum, das Sport- und Kulturzentrum auf Kirchberg (die Coque), das Nationale Zentrum für Literatur, das Nationalmuseum für Naturgeschichte (natur musée) sowie das Nationalmusée um Fëschmaart.
Das Grand Théâtre, in dem Tanz- und Opernaufführungen angeboten werden, wurde renoviert, die Abtei Neumünster in ein 12.000 m2 großes Kulturzentrum umgewandelt und der Großherzogliche Palast und das Historische Museum der Stadt Luxemburg umgebaut.
Im gleichen Zuge wurden die nationalen Theater von Luxemburg und Esch an der Alzette modernisiert und mit den neuesten Technologien ausgestattet.
Die Rotondes: Epizentrum des Kulturjahres 2007
Für die Ausgabe von 2007 arbeiteten die Verantwortlichen ebenfalls an der Neuausrichtung des industriellen Erbes. Schwerpunkt des Events war zweifelsohne der Standort der beiden Rotunden (Rotondes), die früher als Lokschuppen dienten und für das Festjahr in ein neues Kultur- und Veranstaltungszentrum für ein vorwiegend junges Publikum umgewandelt worden waren.
Die beiden Rotunden im Zentrum des Geländes des Hauptbahnhofs von Luxemburg-Stadt, die lange Zeit den Buswartungsdienst und das Lager der Werkstätte der Nationalen Eisenbahngesellschaft CFL beherbergten, tragen heute als Aufführungsstätte und Ausstellungsraum zur neuen Dynamik des Viertels bei. In diesem Epizentrum des Kulturjahres 2007 wurden auch das Event selbst angekündigt und das Logo vorgestellt, wodurch diesem historischen Ort gleichzeitig ein symbolischer Aspekt verliehen wurde.
Das Kulturjahr "Luxemburg und Großregion, Kulturhauptstadt Europas 2007" bestand aus 555 Projekten, die in über 5.000 Events auf dem gesamten Gebiet der Großregion umgesetzt wurden. 133 davon waren grenzüberschreitende Projekte. Für das Kulturjahr war zusätzlich zu den 13 Mio. von ausländischen Partnern ein Haushalt von 45 Mio. Euro vorgesehen.
Drei Fragen an Robert Garcia, Koordinator von Luxemburg und Großregion, Kulturhauptstadt Europas 2007
1. Welche waren die bedeutendsten Änderungen der Kulturhauptstadt Europas 2007 im Vergleich zur Ausgabe von 1995?
1995 musste die Kulturpolitik quasi bei Null anfangen. 2007 sollten die Früchte einer ehrgeizigen Politik der Investitionen in eine breite Palette von öffentlichen Kultureinrichtungen geerntet werden. Sie sollten unter der Leitung einer zeitlich befristeten Vereinigung Luxembourg&Grande Région 2007 unter Beweis stellen, dass sie dieser Investitionen würdig waren. Wenn also 1995 im Nachhinein als "Start-up" betrachtet werden kann, so galt als Credo von 2007 die Professionalisierung der lokalen und regionalen Kulturszene und die Vermittlung dieses neuen kulturellen Geistes an ein breiteres und vielfältigeres Publikum und vor allem an die Jugend. Die Devise lautete, lokale Akteure mit internationalen Größen zu konfrontieren. Und so waren quasi alle Projekte multikulturell, europäisch und innovativ oder zumindest dem Slogan "unexpected" treu.
"Quasi alle Projekte waren multikulturell, europäisch und innovativ oder zumindest dem Slogan "unexpected" treu."
Robert Garcia, Koordinator von Luxemburg und Großregion, Kulturhauptstadt Europas 2007
2. Luxemburg - Kulturhauptstadt Europas 2007. Was war zu dieser Zeit am Großherzogtum so besonders?
Im Gegensatz zu Luxemburg 1995 und Esch 2022 kam die Ausgabe 2007 nicht aufgrund der intensiven Bemühungen der betreffenden Stadt zustande. Die geheime Agenda dieses fast "ungewollten" Events war eher von zwei strategischen Zielen der Regierung geprägt: zunächst sollte das negative Image des Großherzogtums als Steuerparadies oder Rogue State durch das Bild eines Landes mit einer echten gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Dynamik ersetzt werden, die mit einem Feuerwerk an Veranstaltungen, aber auch an künstlerischen und soziokulturellen Konzepten mit einem nachhaltigen Ziel ins Schaufenster gestellt werden sollte. Daher schlussendlich der Slogan "Das Jahr 2007 beginnt in Wahrheit erst 2008".
Das zweite strategische Ziel bestand darin, die Kulturhauptstadt als Trojanisches Pferd im positiven Sinne zu nutzen, damit der enorme Wirtschaftsraum einer auf vier Länder verteilten Großregion mit ihren 11 Millionen Einwohnern näher aneinander rückt, und so die gemeinsame Dynamik einer europäischen Mega-Region entfacht wird. Mit einem Zugpferd - wer hätte das gedacht - namens Großherzogtum Luxemburg. Ein offensichtlich illusorisches Ziel angesichts der geringen Bedeutung der Kultur im Vergleich zu den "harten" politischen, wirtschaftlichen und sozialen Realitäten.
3. Sie waren verantwortlich für die Organisation des Events Luxemburg und Großregion, Kulturhauptstadt Europas 2007. Entsprach der Nutzen Ihren Erwartungen?
Auch wenn die kulturellen Kräfte vor Ort auf sehr ungleiche Weise dem thematischen Aufruf der Kulturhauptstadt Europas gerecht wurden, so muss doch festgestellt werden, dass das aus einigen Tausend Veranstaltungen bestehende Programm mit seinen 555 nach einem Gerechtigkeitsgrundsatz ausgewählten Projekten, davon 133 grenzüberschreitende Projekte und etwa dreißig in Zusammenarbeit mit Sibiu (Rumänien), als sehr zufriedenstellend betrachtet werden kann. Sowohl aus quantitativer als auch aus qualitativer Sicht, wie dies aus zwei fast zu wohlwollenden Gutachten von unabhängigen Experten hervorgeht.
Im Hinblick auf die Nachhaltigkeit ist die Bilanz hingegen eher verhalten, da der genannte Slogan angesichts der weltweiten Finanzkrise von 2008 und danach schnell verpuffte: die durch Luxemburg 2007 für die Fortführung von bewährten Projekten angesammelte Haushaltsreserve wurde gestrichen, die grenzüberschreitende Dynamik flaute ab, zahlreiche vielversprechende Konzepte wurden ausgebremst. Eine bedeutende Innovation - die Rotondes - konnte jedoch fortgeführt werden und neue Events, wie das internationale Filmfestival, wurden mit viel Geduld wieder aufgebaut. Alles in allem zeugen die stärkere Professionalisierung der Kulturszene und der Aufstieg zahlreicher junger künstlerischer Talente in der Folge von 2007 davon, dass sich der unglaubliche Einsatz trotz der Kurzlebigkeit ausgezahlt hat.
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