Die künstliche Intelligenz hält Einzug in Esch2022 Im Bereich Kunst und Kultur ist die Verwendung der künstlichen Intelligenz nicht neu.
Mehr denn je ist sie Teil unseres Alltags, jeden Tag ein bisschen mehr. Im Laufe der letzten Jahre ist künstliche Intelligenz ein zentrales Thema unseres täglichen Lebens geworden. Morgens, wenn wir unser Smartphone mittels Gesichtserkennung öffnen, oder bei der Suche nach der schnellsten Route oder nach Musiktipps: ständig haben wir es mit künstlicher Intelligenz zu tun. So haben Forscher der Universität Luxemburg ihr im Rahmen von Esch2022 einen Pavillon gewidmet. Auf dem Campus Belval werden hier verschiedene Projekte im Zusammenhang mit künstlerischem Schaffen angeboten.
Selbstfahrende Autos, Rasenmäher- oder Staubsauger-Roboter. Jeden Tag verbessert künstliche Intelligenz unser Leben und gestaltet es effizienter. Eine Vielzahl von Apps und technologischen Tools, die wir im täglichen Leben nutzen, beinhalten Systeme künstlicher Intelligenz. Suchmaschinen, Personal Assistants oder auch maschinelle Übersetzungssysteme wie Google Translate oder DeepL erleichtern unsere Aufgaben im privaten und beruflichen Leben. Für seinen E-Mail-Dienst Gmail schlägt Google kurze Nachrichten vor, um eine E-Mail mit nur einem Klick zu beantworten.
Künstliche Intelligenz umgibt uns, ohne dass wir uns dessen bewusst sind: im Supermarkt, im Museum, im Büro, im Krankenhaus und im Verkehr. Sie ist bereits weit in unser Leben eingedrungen, sie ist allwissend und ist immer mehr in unserer Gesellschaft verwurzelt. Diese futuristische Idee, die in den 50er Jahren noch reine Fiktion war, ist heute unsere Realität.
Künstliche Intelligenz erobert den Bereich Kultur
Man spricht oft über künstliche Intelligenz und ihre Auswirkungen auf den Alltag, weniger oft über ihre Auswirkungen auf das künstlerische Schaffen. Dennoch ist sie bereits in viele Bereiche der zeitgenössischen Kunst, wie die Musik, die Malerei oder die Literatur, eingedrungen.
Im Bereich Kunst und Kultur ist der Einsatz von Algorithmen nichts Neues. Zahlreiche Projekte belegen es, wie beispielsweise der ILLIAC-Rechner (Illinois Automatic Computer), der 1957 Suiten experimenteller Musik komponierte. Zu Beginn der 1970er Jahre erzeugte die Software AARON Zeichnungen, die in Kunstgalerien ausgestellt wurden. Und mit den von Calliope erstellten Texten ist seit 1952 auch die Literatur nicht ausgenommen.
Heute wird der Einfluss der künstlichen Intelligenz im Kulturbereich immer größer. Google bietet mehrere Apps an, darunter Magenta Studio, um mit Algorithmen Melodien und Rhythmen zu erzeugen. Streaming-Plattformen wie Spotify oder Deezer setzen künstliche Intelligenz ein, wenn sie uns Songs vorschlagen und Playlists erstellen.
The Next Rembrandt - künstliche Intelligenz kann auch malen
Dank künstlicher Intelligenz reproduzierten Kunsthistoriker und Informatiker ein Porträt des berühmten holländischen Malers Rembrandt. Um den "Next Rembrandt" zu erschaffen, mussten 300 Gemälde des Malers kopiert und in einer Datenbank gespeichert werden.
Dann lernte ein Algorithmus die Farben, die Kontraste sowie die Komposition der Gemälde und eignete sich dann die Art und Weise an, in der der Meister den Pinsel führte und die verschiedenen Farbschichten aufbrachte.
Mithilfe der Technik des Deep Learning (tiefes Lernen) erfasste er, wie der Maler die Details wie Augen, Nase, Mund oder Blicke zeichnete.
Sobald diese Aufgabe bewältigt war, enthüllte ein 3D-Drucker das Originalwerk eines "digitalen" Malers.
Esch2022 widmet künstlicher Intelligenz einen Pavillon
Künstliche Intelligenz hält auch in der Kulturhauptstadt Europas Esch2022 Einzug. Es wurde ihr sogar ein Pavillon an der Universität Belval gewidmet, der das öffentliche Interesse für künstliche Intelligenz fördern soll. Aber es ist auch eine bemerkenswerte Gelegenheit, unsere Beziehung zur Kunst und zur Welt zu überdenken, erklärt der Dekan der Fakultät für Naturwissenschaften, Technologie und Medizin, Professor Jean-Marc Schlenker.
Seit seiner offiziellen Eröffnung am 25. September 2020 führt der "AI & ART Pavilion" auf dem Campus von Belval Forscher, Künstler und Öffentlichkeit zusammen. Er ist in drei Bereiche unterteilt. Der Raum Singularité 42! beherbergt Initiativen und soll Forscher und Künstler zusammenbringen. Project Corner(stone) ist der Raum für Experimente und Erfindung, und Project Magneto ist ein Ort für Konferenzen und besondere Veranstaltungen.
Während des ganzen Jahres als Kulturhauptstadt Europas kommen hier zahlreiche Experten aus dem Bereich der künstlichen Intelligenz und Künstler zusammen, um ihr Know-how auszutauschen. Unter den im Pavillon vorgestellten Projekten haben wir zwei ausgewählt, um Sie ins Bild zu setzen, nämlich ThalamusProject und Dancing Avatar.
ThalamusProject
Die Idee besteht darin, ausgehend vom "geistigen Auge" einer künstlichen Intelligenz mittels Deep Learning künstlich einen Videoclip eines Songs zu erzeugen. Hierzu dienen Tausende von gesammelten Bildern als Quelle für ein Basisnetz (StyleGAN2), um den begrifflichen Sinn der Songtexte darzustellen. Während des Lernprozesses bilden sich komplexe neuronale Strukturen. Das künstlich erzeugte Video führt den Betrachter durch den multidimensionalen Raum neuronaler Strukturen in Form einer Reise durch eine sich verändernde Landschaft neu geschaffener Kunstwerke.
Dancing Avatar
Der durch Techniken künstlicher Intelligenz erzeugte Tanz kann zu beeindruckenden Ergebnissen führen. Mit dem Netz Music to Movement GAN (MM GAN) können Tanzbewegungen erzeugt werden. Ziel dieses Projekts ist die Erzeugung einer klassischen Tanzsequenz auf der Grundlage des Musikstücks "Der sterbende Schwan" mithilfe des Tanzgenerators Dancing2Music.
Dancing2Music wird mit 68.000 Ballettmusik-Clips, 220.000 Zumba-Clips und 73.000 Hip-Hop-Clips geteacht, das macht insgesamt 71 Stunden Datenlearning.
Interview mit Jean-Marc Schlenker, Dekan der Fakultät für Naturwissenschaften, Technologie und Medizin
1. Können Sie Ihren Pavillon bitte vorstellen?
Der "AI & Art Pavillon" ist ein von unserem Fachbereich Informatik umgesetztes und von Professor Leon Van der Torre in Zusammenarbeit mit mehreren seiner Kollegen, darunter Professor Christoph Schommer, aber auch mit Künstlern und jungen Forschern koordiniertes Projekt. Es untersucht unterschiedliche Aspekte der Beziehungen zwischen Kunst und künstlicher Intelligenz und ermöglicht Besuchern ein besseres Verständnis der neuesten Entwicklungen im Bereich künstliche Intelligenz, bietet aber auch die Möglichkeit, auf spielerische und unterhaltsame Weise unsere Beziehung zur Kunst zu hinterfragen. Der Pavillon ist als Ort der Begegnung für das Publikum, die Künstler - vor allem diejenigen, die sich aktiv am Projekt beteiligen - und die Informatiker, die im Bereich künstliche Intelligenz arbeiten, und Wissenschaftler anderer Fachrichtungen konzipiert. Eine genauere Beschreibung des Projekts finden die Leser unter: https://esch2022.uni.lu/projects/aiart/
2. Sie bieten einen der Kunst und der künstlichen Intelligenz gewidmeten Pavillon an. Welche Zielsetzung hat dieser Pavillon?
Beim Besuch dieses Pavillons können Besucher einige der erstaunlichsten jüngsten Fortschritte künstlicher Intelligenz entdecken und, zum Beispiel, einige besonders beeindruckende Deep Learning-Techniken in Aktion sehen. Über spielerische Erfahrungen und Aktivitäten können sie das Wesen der Kunst und unsere Interpretation von Bildern hinterfragen.
Aber Besucher können auch die Gedanken von Künstlern entdecken, die über das Zusammenspiel unserer digitalen Welt und unserer physischen Realität nachdenken. Der Besuch soll sie zu neuen Erkenntnissen, aber auch zu neuen Fragen führen. Eine der Stärken und der Besonderheiten des Pavillons ist die (gewünschte) Möglichkeit, direkt mit den Künstlern und Forschern zu interagieren. Der Pavillon möchte ein Ort der Begegnung und des Austauschs sein, nicht nur eine statische Ausstellung.
3. Wie viele Projekte bieten Sie an und welches liegt Ihnen besonders am Herzen? Und warum?
Das Projekt ruht auf drei Hauptpfeilern, von denen jeder mehrere Aktivitäten umfasst. Es ist sehr schwer, eine davon auszuwählen! Jeder Besucher kann diejenige auswählen, die am besten mit seinen eigenen Fragestellungen und Vorlieben übereinstimmt. Der Pavillon ist jeden Tag geöffnet, Besucher können aber auch Zeitfenster auswählen, während derer sie sich mit den Künstlern und den Forschern im Bereich künstliche Intelligenz austauschen können. Weitere Informationen sind auf der Website des Computational Creativity Hub zu finden:http://cch.uni.lu
"Der Pavillon möchte ein Ort der Begegnung und des Austauschs sein, nicht nur eine statische Ausstellung."
Jean-Marc Schlenker, Dekan der Fakultät für Naturwissenschaften, Technologie und Medizin
4. Wie wirkt sich künstliche Intelligenz auf Kunst oder Kultur aus?
Im Laufe der letzten Jahre hat die Entwicklung der künstlichen Intelligenz dazu geführt, dass wir unsere Sicht der Kunst hinterfragen. Manche Programme, die neue Techniken künstlicher Intelligenz nutzen, sind zum Beispiel in der Lage, auf überzeugende Weise Werke im Stil eines bestimmten Malers oder Komponisten zu erzeugen. Die Grenzen zwischen Kunst und Technologie verschwimmen. Kann man also heute oder morgen von einem Computerprogramm als "Künstler" sprechen? In einigen Bereichen der Kunst, wie auch in anderen Bereichen, können Programme, die auf künstlicher Intelligenz basieren, die Leistungen der besten menschlichen Experten imitieren. Das ist etwas irritierend.
5. Wenn man diese Projekte betrachtet, könnte man fast denken, dass die Kunst eines Tages durch künstliche Intelligenz ersetzt wird.
Das ist eine der zentralen Fragen des Pavillons. Kann ein von einem Programm erzeugtes "Werk" wirklich als "künstlerisch" bezeichnet werden bzw. wird das eines Tages der Fall sein? Wenn nicht, was hat dann ein von einem Menschen erschaffenes Werk, was ein Computerprogramm nicht erreichen kann, und warum? Über die Kunst wird unsere menschliche Erfahrung durch den Fortschritt der Technik in Frage gestellt.
6. Wie kann künstliche Intelligenz die eigene Vorstellungskraft der Künstler beflügeln? Wie kann sie den Schaffensprozess begleiten?
Künstliche Intelligenz bietet den Künstlern eine Fülle an neuen Tools, die nur darauf warten, entdeckt zu werden. Die Besucher des Pavillons können Geräte mit künstlicher Intelligenz in Aktion sehen, die - gespeist und geleitet von den Ideen von Künstlern - dazu beitragen, bemerkenswerte Werke zu erzeugen. Wie auch in anderen Bereichen ermöglichen IT-Tools eine Erweiterung und manchmal sogar eine Befreiung der menschlichen Vorstellung.
7. Der Einfluss der künstlichen Intelligenz auf die Kunst: Entmenschlichung der Kunst oder Vermenschlichung der Informatik?
Das ist eine tiefgreifende Frage, die jeder Besucher für sich selbst beantworten kann. Man kann sagen, dass bei der Erstellung des Pavillons die Rolle der Künstler ausschlaggebend war. Die künstliche Intelligenz hat ihnen neue Ausdrucksmöglichkeiten gewährt, sie aber nicht ersetzt.
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